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Beförderung nach Abschluss des Disziplinarverfahrens?

Sehr häufig gehen die Dienstherren davon aus, ein Beamter müsse sich nach Abschluss eines Disziplinarverfahrens noch einige Zeit bewähren, bevor eine Beförderung in Betracht kommen könne. Denn es gebe ja nun Zweifel an seiner (charakterlichen) Eignung, die erst ausgeräumt werden müssten.
Oft sieht man ein halbes oder ein ganzes Jahr als den richtigen Zeitraum an.

Der nachstehende Beschluss befasst sich mit diesen Fragen.
Er erwähnt unter anderem den von uns ebenfalls vorstellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt / Weinstraße vom 02.07.13, 1 L 359/13.NW.

Auch aus diesem Beschluss ergibt sich, dass das Disziplinarverfahren letztlich doch nicht völlig unbeachtet bleiben muss. Es ist jedoch angemessen zu berücksichtigen und nicht im Sinne eines absoluten Beförderungsverbots.

Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 25.03.15, 4 L 98/15.MZ

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren in das Auswahlverfahren des Beförderungsgeschehens 2015 einzubeziehen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.


Gründe
Der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, ihn vorläufig in das Auswahlverfahren des Beförderungsgeschehens 2015 einzubeziehen, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Hinsichtlich des – hier allein zu sichernden – Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers besteht ein Anordnungsgrund. Zwar steht die Beförderung eines Dritten, welche zur Vereitelung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers führen würde, nicht unmittelbar bevor. Der Anordnungsgrund ist jedoch daraus herzuleiten, dass der Antragsteller von vornherein vom Auswahlverfahren ausgeschlossen worden ist und daher vom Antragsgegner keine Mitteilung mehr über Abschluss und Ergebnis des Auswahlverfahrens erhalten wird, wie der Antragsgegner auf telefonische Anfrage des Gerichts bestätigt hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gewährleistet, dass der Antragsteller rechtzeitig einstweiligen Rechtsschutz zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs erreichen kann. Daher muss bereits jetzt einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, und zwar in Form der vorläufigen Einbeziehung in das Auswahlverfahren.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Jeder Beamte hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung um eine Beförderungsstelle eine am Leistungsgrundsatz ausgerichtete rechtsfehlerfreie Entscheidung trifft. Dieser Anspruch kann durch eine einstweilige Anordnung gesichert werden, wenn die getroffene Auswahlentscheidung fehlerhaft ist. So ist es hier.
Der Antragsgegner hat den Antragsteller bereits im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung vom Beförderungsgeschehen ausgeschlossen, weil gegen den Antragsteller eine disziplinarrechtliche Geldbuße verhängt worden ist. Die insoweit vom Antragsgegner herangezogene Vorschrift des § 112 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz – LDG – rechtfertigt dieses Vorgehen des Antragsgegners jedoch nicht.

Ein Bewerber um ein Beförderungsamt kann nur dann bereits vom eigentlichen Auswahlverfahren ausgeschlossen werden, wenn eine Beförderung unter keinen Umständen in Betracht kommen kann, sei es weil ein Beförderungsverbot besteht, sei es weil der Beamte etwa im Hinblick auf ein Anforderungsprofil ein gefordertes Merkmal nicht erfüllt. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Insbesondere kann ein derartiges, von vornherein durchschlagendes Beförderungshindernis nicht aus § 112 Abs. 1 LDG hergeleitet werden.
Gemäß der genannten Vorschrift darf eine Geldbuße nach drei Jahren bei Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden (Verwertungsverbot). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass während der noch laufenden Frist die Geldbuße berücksichtigt werden darf. Eine dreijährige Beförderungssperre als absoluter Ausschlussgrund kann daraus – schon vom Wortlaut her – jedoch nicht gefolgert werden. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber Beförderungsverbote im Disziplinargesetz ausdrücklich geregelt hat, nämlich hinsichtlich der Kürzung der Dienstbezüge (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 LDG) sowie hinsichtlich der Zurückstufung (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 LDG; was die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst angeht, erübrigt sich eine diesbezügliche Regelung ohnehin).
Für diese am wenigsten einschneidenden Disziplinarmaßnahmen Verweis und Geldbuße hat der Gesetzgeber jedoch gerade kein Beförderungsverbot normiert. Für diese Disziplinarmaßnahmen verbleibt es allein bei der Möglichkeit ihrer Berücksichtigung gemäß § 112 Abs. 1 LDG, was ein erhebliches Minus gegenüber dem Beförderungsverbot darstellt und damit auch nicht als absoluter Ausschlussgrund im Hinblick auf das Beförderungsgeschehen angesehen werden kann. Berücksichtigung kann die Disziplinarmaßnahme demgemäß also noch nicht im Vorfeld der Auswahlentscheidung, sondern allein bei der Auswahlentscheidung selbst finden. Dem Dienstherrn verbleibt danach die Möglichkeit, die Geldbuße bei der eigentlichen Auswahlentscheidung zu berücksichtigen, mithin die Disziplinarmaßnahme als Kriterium neben anderen in die Auswahlentscheidung einfließen zu lassen. Dies kann je nach Einzelfall dazu führen, dass das Kriterium der Disziplinarmaßnahme etwa angesichts eines deutlichen Qualifikationsvorsprungs des Beamten gegenüber den Mitbewerbern zurücktritt oder aber so im Vordergrund steht, dass das Beförderungsbegehren erfolglos bleibt.
Ein absoluter Ausschlussgrund, der bereits im Vorfeld der eigentlichen Auswahl-entscheidung durchschlägt, könnte allenfalls dann noch angenommen werden, wenn im Zusammenhang mit der Geldbuße oder dem Verweis besondere Umstände vorliegen, die im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null zwingend zur Annahme einer absoluten Beförderungsunwürdigkeit führen würden. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor (vgl. im Übrigen auch VG Neustadt /Weinstraße, Beschluss vom 02.07.13 – 1 L 359/13.NW –).

Was den Einwand des Antragsgegners betrifft, dass sich der Dienstherr in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen würde, wenn er einen Beamten beförderte oder in sonstiger vergleichbarer Weise förderte und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor Anlass hatte, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden, so greift dieser Rechtsgedanke nur während des noch laufenden Disziplinarverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 – 6 C 32.85 –, ZBA 1990, 22). Da vorliegend das Disziplinarverfahren des Antragstellers abgeschlossen ist, besteht auch unter diesem Gesichtspunkt kein absoluter Ausschlussgrund.
Nach alledem liegt unter dem Gesichtspunkt der verhängten Geldbuße kein Grund vor, den Antragsteller von vornherein von dem Auswahlverfahren auszuschließen. Der Antragsgegner darf – wie dargelegt - die Geldbuße aber sehr wohl bei der eigentlichen Auswahlentscheidung berücksichtigen. Zu welchem Ergebnis der Antragsgegner nach Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte dann kommen wird, ist offen.
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Gerichtliches Verfahren Gesetz, §§ 52 ff. BDG Disziplinarklage Antrag des Dienstherrn Bestimmtheit der Klagschrift Beschränkung der Vorwürfe Beweiswürdigung Entscheidung durch Beschluss Berufung Revision Verschlechterungsverbot
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