Startseite ⁄ Disziplinarrecht ⁄ Bundesdisziplinarrecht ⁄ Gerichtliches Disziplinarverfahren ⁄ Revision gegen Urteil des Oberverwaltungsgerichts

Zulässigkeit der Revision im Disziplinarrecht - unterschiedliche Regelungen


Die nachstehende Entscheidung betrifft die Frage, ob es für Landesbeamte die Möglichkeit geben muss, gegen das Urteil ihres Oberverwaltungsgerichts das Rechtsmittel der Revision einzulegen.
Bekanntlich haben Bundesbeamte (mit wenigen Ausnahmen) diese Möglichkeit und dies gilt auch für die Beamten der meisten Bundesländer.

Zwingend ist diese Regelung aber nicht: die Landesdisziplinargesetze können etwas anderes bestimmen.
Wir müssen Sie natürlich bitten, diese Frage im Einzelfall anhand der dann geltenden Gesetze noch einmal zu prüfen. Denn nicht jede Änderung eines Landesdisziplinargesetzes verarbeiten wir auf unserer Seite.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 12.12.11 - 2 B 34.11 - zum Ausschluss der Revision durch Landesdisziplinarrecht ausgeführt:


Die Beschwerde ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsurteils unzulässig, weil das Landesdisziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) für landesrechtliche Disziplinarverfahren eine Revisionsinstanz nicht eröffnet (vgl. auch Entwurfsbegründung LTDrucks 4/2364 S. 81).

Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unter anderem die Kompetenz, Verfassung und Verfahren der Verwaltungsgerichte zu regeln. Von dieser Kompetenz hat er durch Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung Gebrauch gemacht und das verwaltungsgerichtliche Verfahren erschöpfend geregelt. Auch bei umfassender und erschöpfender Regelung eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund sind landesrechtliche Regelungen jedoch insoweit zulässig, als das Bundesrecht Vorbehalte zugunsten der Landesgesetzgebung enthält. Einen solchen Vorbehalt enthält § 187 Abs. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift können die Länder den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit übertragen sowie dabei die Besetzung und das Verfahren regeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.07.1970 - 2 BvL 8/70 - BVerfGE 29, 125 <137 ff.> m.w.N.).

Sachsen-Anhalt hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Nach § 45 Satz 1 Halbs. 1 DG LSA nehmen die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit nach dem Landesdisziplinargesetz wahr.

§ 187 Abs. 1 VwGO belässt dem Landesgesetzgeber nicht nur die Kompetenz, den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit zu übertragen.
Er eröffnet ihm auch die Möglichkeit, die Besetzung und das Verfahren abweichend von den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung zu regeln, ohne dass er dabei eine umfassende eigenständige Verfahrensregelung treffen müsste. Der Landesgesetzgeber kann sich auf den Erlass einiger abweichender Verfahrensbestimmungen beschränken (BVerfG, Beschluss vom 22.07.1970 a.a.O. S. 146 f.). Diese Kompetenz umfasst die Befugnis, den Instanzenzug abweichend vom Regelfall der Verwaltungsgerichtsordnung zu regeln.

Der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt hat eine Revisionsinstanz für das Disziplinarverfahren nicht eingeführt. Nach Art. 99 GG kann dem Bundesverwaltungsgericht für den letzten Rechtszug durch Landesgesetz die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt. Die Vorschrift eröffnet den Ländern damit die Möglichkeit, Zuständigkeiten von Bundesgerichten im Bereich des Landesrechts und damit auch im Bereich des Disziplinarrechts durch Landesgesetz zu begründen (vgl. zum Verhältnis zu § 127 BRRG: BVerfG, Beschluss vom 02.02.1960 - 2 BvF 5/58 - BVerfGE 10, 285 <292 f., 301 f.> und BVerwG, Urteil vom 29.04.10 - BVerwG 2 C 77.08 - BVerwGE 137, 30 <31>; zum Personalvertretungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 13.01.1961 - BVerwG 7 P 3.60 - BVerwGE 11, 336 <337>, Urteile vom 16.12.1977 - BVerwG 7 P 27.77 und 28.77 - Buchholz 238.3A § 106 BPersVG Nr. 1 S. 4 und zum Rundfunkgebührenrecht: Beschluss vom 09.01.1990 - BVerwG 7 B 199.89 - Rn. 4).
Für eine solche Zuweisung genügt eine allgemeine Verweisungsnorm wie § 3 DG LSA, mit der zur Ergänzung des Landesdisziplinargesetzes die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für entsprechend anwendbar erklärt werden, nicht. Es bedarf vielmehr nach Art. 99 GG einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Zuweisung an das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz. Eine solche enthält das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt nicht.


Wir möchten bei dieser Gelegenheit noch einmal daran erinnern, dass hinsichtlich der Erhebung eines Widerspruchs im Disziplinarrecht und im Beamtenrecht Ähnliches gilt:
Einige Länder haben die Widerspruchsverfahren für bestimmte Konstellationen abgeschafft.
Ggf. muss der Beamte dann sogleich Klage erheben.
Disziplinarrecht / Übersicht Bundesdisziplinarrecht Bundesdisziplinargesetz Text Disziplinarmaßnahmen lästige Nebenfolgen
Verfahrenseinleitung Verwaltungsermittlungen Einleitung von Amts wegen Selbstentlastungsantrag einheitliche Ahndung, ein Verfahren
Disziplinarverfahren Unterrichtung d. Beamten Belehrung vor Anhörung Wahrheitspflicht? Geständnis Ermittlungen (§§ 20 - 30) Akteneinsichtsrecht Aussetzung, § 22 BDG Beweiserhebung Beweisantragsrecht Anwesenheit/ Fragerecht - Ladung - Anwesenheitsrecht Observation zulässig? Begutachtung durch Amtsarzt? Durchsuchung, § 27 BDG - BVerfG zu Durchsuchung - OVG Rh-Pf. dazu Protokollierung abschließende Anhörung schwerere Fälle - § 31 Einstellung - § 32 BDG Disziplinarverfügung Disziplinarklage - Mitbestimmung
Beschleunigungsgebot Fristsetzung § 62 BDG - Rechtsprechungsbeispiel
Widerspruchsverfahren Widerspruch Gesetz - §§ 41, 42 BDG
Gerichtliches Verfahren Gesetz, §§ 52 ff. BDG Disziplinarklage Antrag des Dienstherrn Bestimmtheit der Klagschrift Beweiswürdigung Entscheidung durch Beschluss Berufung Verschlechterungsverbot