Disziplinarrecht: Beschleunigungsgebot
Die nachfolgende Entscheidung beleuchtet das Beschleunigungsgebot nach hessischem Landesrecht, das natürlich nicht unmittelbar für Bundesbeamte gilt.
Die Erwägungen des Gerichts lassen sich aber gut übertragen.
Das Gericht nimmt auch zu dem bei Dienstherren beliebten Argument Stellung, der Bevollmächtigte des Beamten, also sein Anwalt, habe durch sein Verhalten und seine Beanstandungen die Verzögerung hervorgerufen.
Hier nur ein kurzer Auszug aus der Entscheidung, die im Internet zu finden ist.
VG Wiesbaden, Beschluss vom 09.06.20 - 28 L
440/20.WI.D -
Gründe (Auszug)
23
Gemäß § 67 Abs. 2 HDG bestimmt das Gericht eine Frist, in der das Verfahren abzuschließen ist, falls ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vorliegt.
24
Zwar geht das Gesetz in § 67 Absatz 1 S. 1 HDG davon aus, dass die Behörde das Disziplinarverfahren grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten abschließt. Diese Frist ist allerdings keine absolute Frist, sondern vielmehr Ausdruck des das Disziplinarrecht beherrschenden Beschleunigungsgrundsatzes. Sie soll die für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Dienstbehörde veranlassen, das Verfahren ohne unangemessene Verzögerung durchzuführen. Es soll insbesondere verhindert werden, dass die zuständige Dienstbehörde nach Einleitung des Verfahrens untätig bleibt. Die Vorschrift steht damit in einem Spannungsverhältnis zu der gleichfalls bestehenden Pflicht, den disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt umfassend zu ermitteln (§ 24 Abs. 1 HDG) und dem Beamten, gegen den ermittelt wird, die Möglichkeit zur Äußerung zu geben (§ 34 Abs. 1 HDG). Gestalten sich die Ermittlungen schwierig oder umfangreich, so lässt sich die in § 67 Abs. 1 HDG genannte Frist unter Umständen nicht einhalten, ohne die Aufklärungs- und Anhörungspflicht zu verletzen. Vor diesem Hintergrund ist zu verlangen, dass ein eventuelles säumiges Verhalten der für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständigen Behörde schuldhaft sein muss (vgl. zur bundesrechtlichen Regelung in § 62 BDG: BVerwG, Beschluss vom 11.08.09 - 2 AV 3.09 -, juris Rn. 2).
25
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nach § 67 HDG obliegt es der Behörde, im Einzelnen und substantiiert die Gründe dafür darzulegen, weshalb das behördliche Disziplinarverfahren über den Zeitrahmen von sechs Monaten hinaus noch nicht abgeschlossen werden konnte (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 09.07.15 - 28 L 1621/14.WI.D -, juris Rn. 5).
26
Vorliegend ist ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens von Seiten des Antragsgegners weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. ...
27
Dem Antragsgegner kann auch nicht in der Ansicht gefolgt werden, dass der Antragsteller den Abschluss des Disziplinarverfahrens verzögere, da er sich trotz Ankündigung weder mündlich noch schriftlich äußere. Gemäß § 23 Abs. 2 S. 2 HDG ist die Anhörung innerhalb eines Monats durchzuführen, wenn der Beamte rechtzeitig erklärt hat, sich mündlich äußern zu wollen. Es ist Sache des Antragsgegners, einen entsprechenden Termin anzuberaumen und das behördliche Disziplinarverfahren voranzutreiben. Dies ist nicht geschehen. Für die Abgabe einer schriftlichen Erklärung hätte der Antragsgegner – ungeachtet anderer Umstände – eine Frist setzen können.
28
Der Bevollmächtigte des Antragstellers verzögert auch nicht dadurch das Verfahren, dass er die Rechtmäßigkeit der Beauftragung der Dienststelle X des Antragsgegners anzweifelt. Es ist gerade die Aufgabe eines Rechtsanwalts, Vorgänge zu rügen, die seiner Ansicht nach einen Verfahrensfehler darstellen. Soweit der Antragsgegner die Rechtsauffassung nicht teilt, hätte er dies dem Bevollmächtigten mitteilen können. Stattdessen sind die Schreiben des Bevollmächtigten vom 13.12.19, 29.01.20 und 05.04.20 unbeantwortet geblieben. Zugleich hat der Antragsgegner das behördliche Disziplinarverfahren nicht weiterbetrieben. Unterschiedliche Auffassungen zum Vorliegen eines Verfahrensfehlers hindern die Behörde nicht an der Fortsetzung und dem Abschluss des Disziplinarverfahrens.
Gründe (Auszug)
23
Gemäß § 67 Abs. 2 HDG bestimmt das Gericht eine Frist, in der das Verfahren abzuschließen ist, falls ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vorliegt.
24
Zwar geht das Gesetz in § 67 Absatz 1 S. 1 HDG davon aus, dass die Behörde das Disziplinarverfahren grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten abschließt. Diese Frist ist allerdings keine absolute Frist, sondern vielmehr Ausdruck des das Disziplinarrecht beherrschenden Beschleunigungsgrundsatzes. Sie soll die für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Dienstbehörde veranlassen, das Verfahren ohne unangemessene Verzögerung durchzuführen. Es soll insbesondere verhindert werden, dass die zuständige Dienstbehörde nach Einleitung des Verfahrens untätig bleibt. Die Vorschrift steht damit in einem Spannungsverhältnis zu der gleichfalls bestehenden Pflicht, den disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt umfassend zu ermitteln (§ 24 Abs. 1 HDG) und dem Beamten, gegen den ermittelt wird, die Möglichkeit zur Äußerung zu geben (§ 34 Abs. 1 HDG). Gestalten sich die Ermittlungen schwierig oder umfangreich, so lässt sich die in § 67 Abs. 1 HDG genannte Frist unter Umständen nicht einhalten, ohne die Aufklärungs- und Anhörungspflicht zu verletzen. Vor diesem Hintergrund ist zu verlangen, dass ein eventuelles säumiges Verhalten der für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständigen Behörde schuldhaft sein muss (vgl. zur bundesrechtlichen Regelung in § 62 BDG: BVerwG, Beschluss vom 11.08.09 - 2 AV 3.09 -, juris Rn. 2).
25
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nach § 67 HDG obliegt es der Behörde, im Einzelnen und substantiiert die Gründe dafür darzulegen, weshalb das behördliche Disziplinarverfahren über den Zeitrahmen von sechs Monaten hinaus noch nicht abgeschlossen werden konnte (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 09.07.15 - 28 L 1621/14.WI.D -, juris Rn. 5).
26
Vorliegend ist ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens von Seiten des Antragsgegners weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. ...
27
Dem Antragsgegner kann auch nicht in der Ansicht gefolgt werden, dass der Antragsteller den Abschluss des Disziplinarverfahrens verzögere, da er sich trotz Ankündigung weder mündlich noch schriftlich äußere. Gemäß § 23 Abs. 2 S. 2 HDG ist die Anhörung innerhalb eines Monats durchzuführen, wenn der Beamte rechtzeitig erklärt hat, sich mündlich äußern zu wollen. Es ist Sache des Antragsgegners, einen entsprechenden Termin anzuberaumen und das behördliche Disziplinarverfahren voranzutreiben. Dies ist nicht geschehen. Für die Abgabe einer schriftlichen Erklärung hätte der Antragsgegner – ungeachtet anderer Umstände – eine Frist setzen können.
28
Der Bevollmächtigte des Antragstellers verzögert auch nicht dadurch das Verfahren, dass er die Rechtmäßigkeit der Beauftragung der Dienststelle X des Antragsgegners anzweifelt. Es ist gerade die Aufgabe eines Rechtsanwalts, Vorgänge zu rügen, die seiner Ansicht nach einen Verfahrensfehler darstellen. Soweit der Antragsgegner die Rechtsauffassung nicht teilt, hätte er dies dem Bevollmächtigten mitteilen können. Stattdessen sind die Schreiben des Bevollmächtigten vom 13.12.19, 29.01.20 und 05.04.20 unbeantwortet geblieben. Zugleich hat der Antragsgegner das behördliche Disziplinarverfahren nicht weiterbetrieben. Unterschiedliche Auffassungen zum Vorliegen eines Verfahrensfehlers hindern die Behörde nicht an der Fortsetzung und dem Abschluss des Disziplinarverfahrens.