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Mobbing

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.03.02, 3 Sa 01 / 02

1. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen kann den Begriff des Mobbings erfüllen. Vielmehr ist es dem Zusammenarbeiten mit anderen Menschen immanent, dass sich Reibungen und Konflikte ergeben, ohne dass diese Ausdruck des Ziels sind, den anderen systematisch in seiner Wertigkeit gegenüber Dritten oder sich selbst zu verletzen.

2. Der Begriff des Mobbings stellt keine rechtliche Anspruchsgrundlage dar. Vielmehr handelt es sich bei „Mobbing" um ein soziales Phänomen, das es schon immer in der Arbeitswelt gegeben hat, das aber in den letzten Jahren vermehrt in den Blick der Allgemeinheit getreten ist.

3. Der Begriff des Mobbings beschreibt eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Es ist einerseits erforderlich, dass sich das Verhalten gegen eine oder mehrere bestimmte Personen richtet und andererseits, dass das Verhalten systematisch erfolgt. Das bedeutet, es muss sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lassen.



Zum Sachverhalt:

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld. Sie ist seit 1992 als Pflegekraft bei der Hansestadt Lübeck beschäftigt, seit ca. fünf Jahren im Alten- und Pflegeheim S.
In diesem Heim ist die Beklagte als Wohnbereichsleiterin tätig. Die Beklagte war bis Mai 2001 unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin.
Im Mai 2001 wurde die Klägerin auf eine andere Station versetzt. Seit Februar 2002 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Klägerin fühlt sich von der Beklagten gemobbt und meint, die Beklagte schulde ihr deswegen ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000,00 DM. Die Beklagte habe sie seit mindestens Frühjahr 2000 bis Ende April 2001 ständig schikaniert und "gemobbt". Dadurch sei sie schwer erkrankt und leide an einer schweren chronifizierten reaktiven Depression. Im Übrigen sei sie in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrer Ehre verletzt worden.

Die Klägerin hat folgende - zum Teil strittige - Vorfälle zur Begründung ihres Vorwurfs vorgetragen:

- Okt. 2000:
Geburtstagskuchen der Klägerin sei in der Küche in eine Ecke gestellt worden und vertrocknet.


- 16. 11. 2000:
PC-Eintrag der Klägerin über Blutergüsse einer Heimbewohnerin sei gelöscht worden.


- 12. 12. 2000:
Die Beklagte habe der Klägerin ohne Grund eine Pampers aus der Hand gerissen.


- 16. 1. 2001:
Die Beklagte habe zur Klägerin, die sie wegen des Urlaubsplans angesprochen habe, gesagt: „Ich bespreche gar nichts mehr mit Dir". Weiter habe sie zu ihr gesagt: „Was machst Du hier schon? Was tust Du hier schon für uns?"


- 4. 4. 2001:
Die Klägerin fühlte sich von der Beklagten diskriminiert, die ihr vorgehalten hatte, sie habe nur zwei Heimbewohner gewaschen.


- 7. 4. 2001:
Die Beklagte sei hinter der Klägerin hergelaufen, habe sie mit dem Ellbogen geschubst und gefragt, wozu sie ein Zwischenzeugnis brauche.


- 7./8. 4. 2001:
Die Beklagte habe Kollegen aufgefordert, einen Antrag auf Versetzung der Klägerin zu unterzeichnen.


Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen:



Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in entsprechender Anwendung des § 847 BGB. Auch mit der Berufung hat die Klägerin nicht substanziiert Tatsachen vorgetragen, die einen Schmerzensgeldanspruch begründen können. Das Vorbringen der Klägerin kann weder für einzelne Taten den Tatbestand einer Ehrverletzung noch für alle den des „Mobbings" begründen. Der Begriff des Mobbings stellt für sich gesehen nicht eine Anspruchsgrundlage dar. Vielmehr handelt es sich bei „Mobbing" um ein soziales Phänomen, das es schon immer in der Arbeitswelt gegeben hat, das aber in den letzten Jahren vermehrt in den Blick der Allgemeinheit getreten ist. Der Begriff des Mobbings beschreibt eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Es ist einerseits erforderlich, dass sich das Verhalten gegen eine oder mehrere bestimmte Personen richtet und andererseits, dass das Verhalten systematisch erfolgt. Das bedeutet, es muss sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lassen. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen kann den Begriff des „Mobbing" erfüllen. Vielmehr ist es dem Zusammenarbeiten mit anderen Menschen immanent, dass sich Reibungen und Konflikte ergeben, ohne dass diese Ausdruck des Ziels sind, den anderen systematisch in seiner Wertigkeit gegenüber Dritten oder sich selbst zu verletzen.

Die ausführliche Anhörung beider Parteien in der Berufungsverhandlung hat nicht zu dem Ergebnis geführt, dass etwaige Meinungsverschiedenheiten auf „Mobbing" der Beklagten beruhen. Eine systematische Vorgehensweise der Beklagten in dieser Richtung ist nicht erkennbar. Deutlich ist dabei jedoch geworden, dass die Klägerin sich von der Beklagten verfolgt und gezielt benachteiligt fühlt. Dass dies berechtigt ist, ist aber nicht erkennbar geworden.
Dabei kann die Klägerin sich nicht auf Beweiserleichterungen wegen des behaupteten Mobbings berufen. Zuvor ist nämlich erforderlich, dass sie zumindest substanziiert Tatsachen behauptet, die auf das Vorliegen von Mobbing schließen lassen. Auch kann die Klägerin nicht damit gehört werden, sie sei früher gesund gewesen, was zeige, dass die Erkrankungen auf die Verhältnisse am Arbeitsplatz zurückzuführen seien. Wie das ArbG zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus dieser zeitlichen Abfolge noch nicht, dass andere Ursachen ausgeschlossen sind.
Dass andere denkbare Ursachen (z.B. altersbedingte) ausscheiden, hätte die Klägerin darlegen müssen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, andere mögliche Ursachen zu nennen.
Bei einer Betrachtung der von der Klägerin behaupteten Vorfälle ergibt sich, diese als wahr unterstellt, dass das Vorliegen eines „Mobbings" nicht feststellbar ist. Im Einzelnen ist hierzu anzumerken, wobei auch auf die Ausführungen des ArbG verwiesen wird:

- 10/2000 „Geburtstagskuchen":
Inwieweit die Klägerin ursächlich dafür gewesen sein soll, dass der Kuchen nicht gegessen wurde, ist nicht dargelegt.

- 16. 11. 2000 „PC-Eintrag":
Die Klägerin hat nicht einmal konkret behaupten können, dass die Beklagte den behaupteten Eintrag gelöscht hat. Sie hat lediglich zum Ausdruck gebracht, ein anderer könne es nicht gewesen sein, der Beklagten traue sie das zu.

- 12. 12. 2000 „Pampers":
Selbst wenn die Beklagte der Klägerin eine Windel aus der Hand gerissen haben sollte, spricht dies nicht für eine systematische Diskriminierung. Vielmehr deutet der von der Klägerin geschilderte Ablauf darauf hin, dass die Beklagte die Klägerin zu schnellerer Arbeit anspornen wollte, wenn auch die - strittige - Art überzogen gewesen sein mag.

- 16. 1. 2001 „Urlaubsplanung":
Hierzu ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht nachvollziehbar, was sie beanstanden will. Soweit es sich um die Lage des Erholungsurlaubs gehandelt haben sollte, hätte sie, sofern eine innerbetriebliche Klärung nicht erzielt werden konnte, die Personalvertretung bemühen oder notfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können.

- 4. 4. 2001 „Waschen von zwei Heimbewohnern":
Hier ist deutlich geworden, dass die Klägerin sich dadurch diskriminiert fühlte, weil der Vorhalt in einer Dienstbesprechung erfolgte. Ob die Klägerin tatsächlich mehr Bewohner versorgt hat, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls eine Diskriminierung durch einen Vorhalt in einer Dienstbesprechung nicht erkennbar ist.

- 7. 4. 2001 „Frage nach dem Zwischenzeugnis":
Die Klägerin hat zwar in ihrer Anhörung erklärt, das Schubsen mit dem Ellbogen habe auch geschmerzt, andererseits hat sie aber bekundet, sie sei der Beklagten ausgewichen. Dass die Beklagte in der Absicht gehandelt haben sollte, der Klägerin Schmerzen zuzufügen, ist nicht dargelegt. Das - strittige - Verhalten mag zwar unangemessen sein, kann aber auch nicht als Bestandteil eines systematischen benachteiligenden Handels erkannt werden.


- ohne Datum „Hinweis auf langsames Arbeiten":
Hier kann ohne Einzelheiten nicht beurteilt werden, ob dieser behauptete wiederholte Hinweis der Beklagten unberechtigt war.

- ohne Datum „Frühdienst":
Hier ist nicht ersichtlich, dass eine unterlassene Benachrichtigung der Klägerin und eine Frage, was die Klägerin denn wolle, Bestandteil eines systematischen Vorgehens gewesen sein könnte. Dass Änderungen in Dienstplänen gelegentlich versehentlich nicht dem Betroffenen mitgeteilt werden, kann als fehlerhafte Arbeitsleistung des Vorgesetzten vorkommen.

Zusammenfassend ist zu bemerken, dass sich das Arbeitsverhältnis aus Sicht der Klägerin zwar als unerträglich darstellt, dass aber nicht erkennbar ist, ob dieser Eindruck der Klägerin auf einem Verhalten der Beklagten beruht oder vielmehr auf Verhalten Dritter oder in der Person der Klägerin liegende Ursachen zurückzuführen ist. Auch eine Gesamtschau des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts lässt nicht den Schluss auf eine systematische Vorgehensweise der Beklagten mit dem Ziel, die Klägerin auszustoßen, zu.
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