Scheidungsrecht: ein Trennungsjahr als Voraussetzung für die Scheidung
Nach der gesetzlichen Regelung müssen Sie grundsätzlich ein Jahr lang getrennt leben, bevor Ihre Ehe geschieden werden kann, auch wenn beide Partner die Ehe für endgültig gescheitert halten und sich eine Versöhnung nicht vorstellen können.
Leben Sie seit einem Jahr getrennt und wollen beide die Scheidung, so wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist.
Reicht Ihr Anwalt den Scheidungsantrag zu früh ein, so kann es im Einzelfall
zu erheblichen Problemen kommen.
So wurde durch Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.01.2010 - II-3 UF 162/09 - in einer Sache entschieden, in der das AG Kleve es abgelehnt hatte, die Scheidung auszusprechen.
Dagegen hat der die Scheidung begehrende Ehemann Berufung eingelegt, aber das OLG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, obwohl im Berufungsverfahren das Trennungsjahr abgelaufen war.
Zwar liest sich der sogenannte Tenor der Entscheidung auf den ersten Blick
ganz gut für den Ehemann:
Die Berufung des Antragstellers, mit der er
hilfsweise Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an
das Amtsgericht zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung begehrt, hat Erfolg.Auch stellt das Oberlandesgericht fest, dass die Ehe jetzt geschieden werden
könnte:
Die Ehe der Parteien kann nach § 1565 Abs. 1 BGB
geschieden werden. Die Ehe ist als
gescheitert anzusehen, weil jedenfalls der Antragsteller die
Wiederaufnahme der ehelichen
Lebensgemeinschaft ernsthaft und endgültig ablehnt. § 1565
Abs. 2 BGB steht dem Ausspruch
der Ehescheidung nicht entgegen, weil das Trennungsjahr im
August 2009 abgelaufen ist.Aber es spricht die Scheidung nicht selbst aus, sondern gibt die Sache dem
Amtsgericht zurück.
Zu den Voraussetzungen der Scheidung meint das OLG, das Amtsgericht habe zu Recht eine Scheidung abgelehnt, weil das Trennungsjahr im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht vergangen war:
"Das Amtsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass
die Parteien zum Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch kein Jahr lang
im Sinne des § 1567 Abs. 1 S.
1 BGB getrennt gelebt haben. Die Parteien haben unstreitig
bis August 2008 gemeinsam in ihrem Haus gewohnt. Die Antragsgegnerin hat außerdem
unwidersprochen dargelegt, dass die Parteien noch im April 2008 gemeinsam einen Wohnwagen
angeschafft und diese Anschaffung auch gemeinsam finanziert haben. Wiederum unstreitig haben
die Parteien im April und Mai 2008 gemeinsame Urlaube verbracht. Dazu hat der
Antragsteller im Rahmen der Anhörung nach § 613 ZPO im Termin vor dem Amtsgericht am 09.06.2009
erklärt, die Antragsgegnerin habe bei dem Kurzurlaub im Mai 2008 nach einem Streit damit
gedroht, ihn zu verlassen. Der Antragsteller geht also offenbar selbst davon aus, dass die
Parteien zu diesem Zeitpunkt nicht getrennt gelebt haben. Die Parteien sind darüber hinaus nach
dem Ergebnis der Anhörung im Juli 2008 erneut für die Dauer von drei Wochen gemeinsam
in Urlaub gefahren. Von einer Trennung im März 2008 kann danach keine Rede sein."Zu den Voraussetzungen der Scheidung meint das OLG, das Amtsgericht habe zu Recht eine Scheidung abgelehnt, weil das Trennungsjahr im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht vergangen war:
Jetzt ist die Trennungszeit hinreichend lang für eine Scheidung:
"Das Trennungsjahr ist jedoch mittlerweile abgelaufen, weil
sich die Parteien jedenfalls im August 2008 endgültig getrennt haben. Zu diesem Zeitpunkt
ist der Antragsteller unstreitig aus dem gemeinsamen Haus der Parteien ausgezogen. Gleichzeitig
haben die Parteien zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche Trennung vollzogen und
getrennte Konten eingerichtet. Danach ist von einer vollständigen Beendigung der ehelichen
Lebensgemeinschaft im August 2008 auszugehen."Auch liegt keine Unterbrechung der Trennungsfrist durch Versöhnungsversuche vor:
"Die Trennungsfrist ist nicht dadurch unterbrochen worden, dass es nach August 2008 bis Dezember 2008 noch vereinzelt zu intimen Kontakten der Parteien gekommen ist. Voraussetzung für einen Versöhnungsversuch im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB ist, dass die Ehepartner einvernehmlich von der erfolgten Trennung Abstand genommen haben und das durch die Wiederaufnahme einer zumindest eingeschränkten häuslichen Gemeinschaft manifestieren (Palandt/Brudermüller, 67. Aufl., § 1567 BGB, Rn. 7). Fehlen diese Voraussetzungen, reicht selbst regelmäßiger Geschlechtsverkehr für die Annahme eines Versöhnungsversuchs nicht aus (OLG Celle FamRZ 1996, 804; OLG Köln FamRZ 2002, 239).
Dass die Parteien nach der räumlichen und wirtschaftlichen Trennung im August 2008 über bloße sexuelle Kontakte hinaus in irgendeiner Form wieder eine eheliche Lebensgemeinschaft aufgenommen haben, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 14.08.2009 unwidersprochen dargelegt hat, dass er "seit fast einem Jahr in einer neuen Beziehung" lebt. Vor dem Hintergrund dieser neuen Beziehung des Antragstellers ist davon auszugehen, dass jedenfalls der Antragsteller bei den intimen Kontakten der Parteien nach August 2008 nicht mehr das Ziel vor Augen hatte, die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Antragsgegnerin wieder aufzunehmen."
Aber das OLG spricht die Scheidung doch nicht selbst aus.
Es verweist die Sache zurück. Und der Ehemann trägt die Kosten der Berufung:
"Eine Entscheidung des Senats in der Sache kommt nicht in
Betracht. Der Senat kann nicht selbst auf Scheidung der Ehe erkennen, sondern muss die
Sache wegen des als Folgesache anhängigen Versorgungsausgleichsverfahrens nach § 629b Abs.
1 ZPO an das Amtsgericht zurückverweisen.Es verweist die Sache zurück. Und der Ehemann trägt die Kosten der Berufung:
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO. Danach sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie aufgrund neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug hätte geltend machen können. Sinn dieser Bestimmung ist, die Kosten des Verfahrens in zweiter Instanz derjenigen Partei, die in erster Instanz nicht sachgerecht prozessiert hat und deshalb erst in der zweiter Instanz gewinnt, aufzuerlegen. Einer solchen Partei steht derjenige gleich, der verfrüht, d.h. vor Ablauf des Trennungsjahres, die Scheidung beantragt und alleine dadurch die Kosten für die zweite Instanz verursacht hat. Deshalb sind analog § 97 Abs. 2 ZPO dem Berufungskläger auch dann die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, wenn er den Scheidungsantrag verfrüht gestellt und seine Berufung gegen die Abweisung eines Scheidungsantrages nur deswegen Erfolg hat, weil erst während des Berufungsverfahrens das Trennungsjahr verstrichen ist (BGH FamRZ 1997, 347; OLG Düsseldorf FamRZ 1983, 628; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629b ZPO, Rn. 7). Der Antragsteller hat den Scheidungsantrag zu früh eingereicht. Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag zu Recht abgewiesen, weil das Trennungsjahr aus den bereits genannten Gründen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch nicht abgelaufen war."
Dumm gelaufen: jede Menge überflüssige Kosten - und Stress!
Ein Albtraum für jeden Mandanten und für jede Rechtsanwältin.
Also haben Sie bitte Verständnis dafür, wenn Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin nicht sofort einen Scheidungsantrag einreicht, sondern die Einzelheiten des Getrenntlebens erst einmal mit Ihnen erörtert.
Ein Albtraum für jeden Mandanten und für jede Rechtsanwältin.
Also haben Sie bitte Verständnis dafür, wenn Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin nicht sofort einen Scheidungsantrag einreicht, sondern die Einzelheiten des Getrenntlebens erst einmal mit Ihnen erörtert.