Disziplinarische Ahndung säumiger Aktenbearbeitung
Richterdienstgericht Cottbus, Beschluss vom 04.02.21, -
DG 10/13 -
Tenor
Gegen den Beklagten wird ein Verweis verhängt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
...Am ………….. wurde der Beklagte im Land Brandenburg zum Richter auf Probe ernannt. Er ist seit dem ……….. Richter am Landgericht mit einer Planstelle bei dem Landgericht …………. Mit der letzten Regelbeurteilung aus dem Jahr …….. wurde der Beklagte mit „übertrifft die Anforderungen“ beurteilt.
...
Im August 2011 fand eine Sondergeschäftsprüfung im Dezernat des Beklagten statt, in deren Folge der Präsident des Landgerichts ……… am 4. November 2011 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten einleitete.
Mit der Disziplinarklage vom 2. Oktober 2013, Eingang bei dem Richterdienstgericht am 11. Oktober 2013, wird dem Beklagten vorgeworfen,
a) in der Zeit vom 14. Juli 2011 bis zum 24. August 2011 in insgesamt 15 Fällen ohne sachlichen Grund angeforderte Verfahrensakten für die Prüfung von Dienstaufsichtsbeschwerden und einer Sondergeschäftsprüfung im August 2011 nicht vorgelegt und dadurch die Prüfung erheblich erschwert zu haben,
b) in der Zeit vom 4. März 2011 bis zum 6. September 2011 in 3 Fällen Urteile nicht innerhalb der nach § 315 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist von 3 Wochen nach Verkündung im Termin vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übergeben zu haben,
c) in der Zeit vom 22. Mai 2009 bis zum 26. August 2011 in 17 Fällen in anberaumten Verkündungsterminen keine Entscheidung verkündet zu haben.
d) in der Zeit vom 25. Februar 2011 bis zum 20. April 2011 in 6 Fällen mündlich verkündete Beschlüsse nicht gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO im Protokoll dokumentiert zu haben, die schriftlichen Fassungen seien erst 2-5 Monate später abgesetzt worden,
e) in der Zeit vom 16. August 2011 bis zum 6. September 2011 in zwei Fällen Bestandteile von Akten entfernt oder Schriftsätze der Akte nicht zugeführt zu haben,
f) in den Jahren 2010 und 2011 durch eigenmächtige Unterhaltskürzungen wiederholt zugelassen zu haben, dass Dienstbezüge aus einem Vergleich mit seiner geschiedenen Ehefrau gepfändet worden seien.
...
Der Kläger beantragt zuletzt,
gegen den Beklagten einen Verweis zu verhängen.
Der Beklagte beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die objektiven Vorwürfe nicht. Er sei jedoch in der betreffenden Zeit beruflich stark belastet gewesen und habe im Nachhinein „zu viel terminiert“. Daher habe er es in einzelnen Fällen nicht geschafft, Entscheidungen zeitnah absetzen zu können.
II.
1.
Es besteht zunächst kein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs. Das Brandenburgische Richtergesetz kennt keine eigene Regelung über die Verfolgungsverjährung. Insoweit sind über § 73 Abs. 1 BbgRiG die Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes sinngemäß anwendbar. Danach darf gemäß § 15 Abs. 1 BbgLDG zwar ein Verweis nicht mehr erteilt werden, wenn seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als zwei Jahre vergangen sind. Hier stellt sich der Vorwurf gegen den Beklagten aber als einheitliches Dienstvergehen dar, das nach den Zeitangaben der Disziplinarklage mit der Sondergeschäftsprüfung am 6. September 2011 vollendet war. Das durch mehrere Verfehlungen zutage getretene Fehlverhalten ist einheitlich zu würdigen. Die Verstöße stehen hier in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang und lassen sich nicht verselbständigen (zur Einheit des Dienstvergehens nach dem Bundesdisziplinargesetz: Wittkowski in Urban/Wittkowski, a.a.O., 2. Aufl. 2017, § 2 BDG Rn. 12 m.w.N.). Insoweit beginnt auch die Verfolgungsverjährung erst mit Vollendung des einheitlichen Vergehens.
Innerhalb der Frist von zwei Jahren ist damit rechtzeitig am 4. November 2011 der Ablauf durch Einleitung des Disziplinarverfahrens erstmals und durch die Erhebung der Disziplinarklage mit Eingang bei Gericht am 11. Oktober 2013 nach § 15 Abs. 4 BbgLDG erneut unterbrochen worden. Die Rechtshängigkeit der Disziplinarklage hemmt gemäß § 15 Abs. 5 BbgLDG den Ablauf der Verjährung. Während dieser Rechtshängigkeit kann die Verjährungsfrist damit nicht enden (so für das inhaltlich übereinstimmende Bundesdisziplinargesetz: Urban in Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Aufl. 2017, § 15 BDG Rn. 18).
2.
Es besteht weiterhin kein Verfahrenshindernis wegen einer überlangen Verfahrensdauer.
Es liegt hier zwar ein Verstoß gegen die sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ergebende Verpflichtung nah, zivilrechtliche Streitigkeiten und strafrechtliche Anklagen unter anderem innerhalb einer angemessenen Frist zu verhandeln. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erstreckt den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK darüber hinaus jedenfalls auch auf Disziplinarverfahren gegen Beamte, da diese Verfahren eine arbeits- oder dienstrechtliche Streitigkeit darstellten, denen ein zivilrechtlicher Aspekt zukomme (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009, NVwZ, 2010, 1015, 1016). Das zu entscheidende Verfahren ist zudem durch das Richterdienstgericht über mindestens fünf Jahre nicht ordnungsgemäß gefördert worden. Die Disziplinarklage ist am 11. Oktober 2013 bei dem Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) eingegangen. Die Klage ist unverzüglich zugestellt worden. Eine Verzögerung liegt ebenfalls nicht darin, dass bis zum 3. September 2014 auf das Ergebnis einer Prüfung der Dienstfähigkeit des Beklagten zugewartet wurde. Seit diesem Zeitpunkt ist das Verfahren jedoch bis zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetz und der Errichtung des Dienstgerichts bei dem Landgericht Cottbus zum 21. Juni 2019 und der Terminierung am 26. August 2020 nicht mehr wesentlich gefördert worden.
Das Dienstgericht ist dennoch gehalten, dem Verfahren Fortgang zu geben und in der Sache zu entscheiden. Weder das Brandenburgische Richtergesetz noch das Landesdisziplinargesetz sehen eine Einstellungsmöglichkeit durch das Dienstgericht vor. Mit Entscheidung des Dienstgerichts ist die Disziplinarklage entweder abzuweisen oder auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Der überlange Zeitablauf kann sich demnach allenfalls auf die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme oder die Art der Disziplinarmaßnahme auswirken. Die Voraussetzungen für eine Wiedergutmachung für die Belastung durch das überlange Verfahren oder etwaige Entschädigungen gemäß § 198 GVG sind hier nicht dargetan und auch nicht Gegenstand des dienstgerichtlichen Verfahrens.
3.
Der vorgeworfene Sachverhalt steht für das Richterdienstgericht fest. Einer weiteren Beweisaufnahme gemäß § 59 LDG bedurfte es nicht. Der Beklagte hat sich nach Zustellung der Disziplinarklage nicht eingelassen. Im Rahmen des Erörterungstermins vom 20. November 2020 hat er den vorgeworfenen Sachverhalt zumindest objektiv nicht in Frage gestellt, sondern sein Verhalten mit einer Überlastung begründet. In entsprechender Anwendung des § 86 VwGO drängen sich hier damit nach dem anzuwendenden Untersuchungsgrundsatz weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht auf. Beweisanträge hat der Beklagte nicht gestellt.
Auf Grund dieser Feststellungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen, soweit er bezüglich der Vorwürfe a) und e) gegen die Pflicht zur Zusammenarbeit mit dem Dienstherren im Rahmen der Dienstaufsicht und der Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung verstoßen hat. Die mit den Vorwürfen b) bis d) beschriebenen Verstöße gegen die Zivilprozessordnung stellen ebenfalls Teile dieses einheitlichen Dienstvergehens dar, da der Beklagte hier zwingende gesetzliche Vorschriften missachtete. Soweit ihm jedoch unter f) vorgeworfen wurde, schuldhaft Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in sein eigenes Vermögen geduldet bzw. verursacht zu haben, erfüllt dieses Verhalten jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall die Voraussetzungen eines Dienstvergehens nicht.
Nach den hier über § 100 Satz 4 BbgRiG anwendbaren § 10 Abs. 1 BbgRiG a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LBG und § 47 Abs. 1 BeamtStG begehen Richterinnen und Richter ein Dienstvergehen, soweit sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Richterinnen und Richter sind nach Art. 108 Abs. 1 der Landesverfassung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie haben daher im Rahmen ihrer Unabhängigkeit die Gesetze einzuhalten und unterliegen der Dienstpflicht, diese Gesetze bei der Rechtsanwendung nicht zu verletzen. Darüber hinaus werden Richterinnen und Richter entgegen § 10 Abs. 1 BbgRiG a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LBG und § 34 Satz 3 BeamtStG nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die ihr Beruf erfordert, wenn sie sich bei der Bearbeitung in einer Vielzahl von Verfahren selbst nicht an die gesetzlichen Vorschriften halten.
zu a) und e)
Ein Verstoß gegen eine Dienstpflicht liegt zunächst darin, dass der Beklagte trotz mehrfacher Anforderungen, Akten dem Präsidenten des Landgerichts ……… nicht vorgelegt hat, die für die Prüfung von Dienstaufsichtsbeschwerden oder im Rahmen einer Geschäftsprüfung benötigt wurden. Richterinnen und Richter unterliegen gemäß § 11 Satz 1 BbgRiG a.F. und dem inhaltsgleichen § 10 BbgRiG in der seit dem 20. Juni 2018 gültigen Fassung in Verbindung mit § 26 Abs. 1 DRiG der Dienstaufsicht, soweit ihre Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird. Diese umfasst gemäß § 26 Abs. 2 DRiG auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und den Richter zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Ausfluss dieser Befugnis ist zudem, in die bearbeiteten Akten zum Zwecke der Ausübung der Dienstaufsicht Einblick zu nehmen. Soweit ein Richter dem Dienstherren diese Akten vorenthält und damit die Prüfung erschwert, verstößt er gegen eine Dienstpflicht.
Ebenfalls stellt es eine Dienstpflichtverletzung dar, Schriftsätze, die „lose“ zur Akte gereicht werden, nicht zur Akte zu nehmen und diese in einer Art und Weise gesondert aufzubewahren, dass der Akteninhalt nicht mehr zutreffend ist. Nach dem feststehenden Sachverhalt hat der Beklagte eine am 24. August 2011 eingegangene schriftsätzliche Gehörsrüge in dem Verfahren 1 S 23/10 zwar über seine Geschäftsstelle erhalten, diese jedoch nicht zur Akte gereicht. Der Schriftsatz befand sich weder bei der Prüfung der Akte am 6. September 2011 noch bei erneuter Prüfung am 5. Oktober 2011 in der Akte. Ebenso hatte der Beklagte in dem Verfahren 1 O 183/10 drei Sachstandsanfragen vom 20. Juni 2011, 11. Juli 2011 und vom 26. Juli 2011 zwar zunächst „lose“ im Vorzimmer des Präsidenten zur Geschäftsprüfung nachgereicht, nach Rückgabe an den Beklagten ordnete er diese jedoch der Akte nicht mehr zu.
zu b) bis d)
Gemäß § 315 Abs. 2 ZPO ist ein Urteil, das in einem Termin verkündet wird, vor Ablauf von drei Wochen nach der Verkündung vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Nur wenn dies ausnahmsweise nicht geschehen kann, ist innerhalb dieser Frist das unterschriebene Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe der Geschäftsstelle zu übermitteln. In diesem Fall sind Tatbestand und Entscheidungsgründe alsbald nachträglich anzufertigen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und nachzureichen.
Gegen diese Pflicht hat der Beklagte nach dem zu Grunde zu legenden Sachverhalt in drei Fällen verstoßen. Unabhängig davon, dass Gründe für eine Ausnahme von der „3 Wochen Frist“ nicht ersichtlich sind, fehlt es zudem an der Übermittlung eines unterschriebenen Urteils ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe.
Die Frist des § 315 Abs. 2 ZPO ist eine zwingende gesetzliche Frist. Die Vorschrift räumt dem Richter kein Ermessen ein. Ein Verstoß gegen diese zwingende gesetzliche Frist stellt damit ein Dienstvergehen dar.
Dies gilt ebenso, soweit der Beklagte in 17 beschriebenen Fällen Verkündungstermine „verstreichen“ ließ, ohne eine Entscheidung zu verkünden. Das Gesetz geht gemäß § 310 ZPO davon aus, dass ein Urteil - entsprechend anwendbar gemäß § 329 Abs. 1 ZPO für Beschlüsse - entweder in dem Termin verkündet wird, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in vollständig abgefasster Form in einem gesonderten Termin zu verkünden ist. Gegen diese - ebenfalls zwingende - gesetzliche Vorschrift wird verstoßen, soweit die Entscheidung weder in dem Termin, noch in dem anberaumten Verkündungstermin verkündet wurde. Der Richter hat zwar das Ermessen, gemäß § 156 ZPO eine geschlossene Verhandlung wiederzueröffnen, insoweit kann auch ein „überholter“ Verkündungstermin aufgehoben werden, eine solche Entscheidung hat der Beklagte jedoch in keinem der bezeichneten Fälle getroffen. Nach den Feststellungen sind vielmehr die getroffenen Entscheidungen nachträglich und außerhalb des Verkündungstermins zur Akte gereicht worden.
Schließlich verstößt es ebenfalls gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, soweit der Beklagte in 6 Fällen zwar im Termin Beschlüsse mündlich verkündete, diesen Inhalt aber entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO nicht zu Protokoll nahm. Zwar ist es dem Richter unbenommen, in der mündlichen Verhandlung Beschlüsse „ihrem wesentlichen Inhalt“ nach zu verkünden, die schriftliche Abfassung dieses Beschlusses ist dann aber als Anlage zu Protokoll zu nehmen. Ein Nachreichen des Inhalts nach Verkündung und Fertigstellung des Protokolls sieht das Gesetz nicht vor.
In der Gesamtheit der dargestellten Verstöße zeigt sich auch, dass nicht nur ein unbeachtlicher, leicht fahrlässiger Verstoß gegen zwingende Vorschriften gegeben ist, sondern der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen seiner Pflicht zur gesetzeskonformen Anwendung der Verfahrensvorschriften nicht nachkam. In der Gesamtschau mit der vom Beklagten selbst empfundenen Überlastung ist den dargestellten Gesetzesverletzungen gemein, dass jeweils Beschlüsse oder Urteile nicht innerhalb der selbst gesetzten oder gesetzlich vorgesehenen Fristen abgefasst werden konnten. Eine subjektiv bestehende oder zumindest als solche empfundene Überlastung kann den Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften jedoch nicht rechtfertigen oder entschuldigen. Abgesehen davon, dass eine Überlast durch den Beklagten nicht angezeigt worden war, wäre es ihm möglich gewesen, gesetzeskonform Termine zu verlegen, seine Arbeit entsprechend der Belastung zu organisieren oder sogar andere Hilfestellungen zu suchen. Das Dienstvergehen liegt hier darin, dass der Beklagte gegen Gesetzesvorschriften verstieß, nicht jedoch in dem Vorwurf, ein übertragenes Pensum nicht in einer vorgegebenen Arbeitszeit bewältigt zu haben.
4.
Soweit dem Beklagten darüber hinaus vorgeworfen wird, durch eine einseitige Kürzung von Unterhaltszahlungen wiederholte Vollstreckungen in seine Dienstbezüge durch seine ehemalige Ehefrau verursacht zu haben, kann das Dienstgericht in diesem - außerdienstlichen - Verhalten ein zu sanktionierendes Dienstvergehen nicht erkennen.
Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dies setzt somit voraus, dass die Bedeutung der außerdienstlichen Pflichtverletzung deutlich über das Maß hinausgehen muss, das ohnehin bei jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung gegeben ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Nach dem hier zu Grunde liegenden Sachverhalt schloss der Beklagte zunächst mit seiner ehemaligen Ehefrau einen familiengerichtlichen Vergleich über die Höhe der Unterhaltszahlungen. Nach der - nach dem Verständnis des Dienstgerichts unstreitigen - Verbesserung der Einkommensverhältnisse der ehemaligen Ehefrau kürzte der Beklagte jedoch einseitig seine Leistungen, ohne Abänderungsklage zu erheben oder in anderer Form Vollstreckungshandlungen aus dem Vergleich zu verhindern.
Es nicht erkennbar, inwieweit dieses Verhalten - im besonderen Maße - das Vertrauen in die Ausübung des Richteramtes beeinträchtigen kann. Die Vollstreckungen, die durch Pfändung und Überweisung der Dienstbezüge erfolgten, hatten allenfalls eine geringe Außenwirkung. Der Beklagte ist zudem nicht in Vermögensverfall geraten, so dass zu befürchten gewesen wäre, seine richterliche Unabhängigkeit hätte durch finanzielle Abhängigkeiten beeinflusst werden können. Ein bewusstes Missachten eines geschlossenen Vergleichs oder ein besonders „unehrenhaftes“ Verhalten, wie es wohl die Disziplinarklage annimmt, liegt darin nach Einschätzung des Dienstgerichts nicht. Vielmehr hat der Beklagte sich finanziell durch die Vollstreckungen selbst geschädigt. Die mit der Disziplinarklage genannten Entscheidungen anderer Gerichte in beamtenrechtlichen Disziplinarsachen können im Übrigen mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht gleichgesetzt werden. In dem Urteil des VG Berlin vom 19. November 2003 (80 A 20.03, juris) wurde dem Beamten neben zahlreichen Straftaten vorgeworfen, Unterhaltszahlungen bewusst vorenthalten zu haben, da er davon ausgegangen sei, dass die Unterhaltsvorschusskasse für den Unterhalt aufkommen werde. In dem Urteil des VG Berlin vom 22. September 2005 (80 A 62.01, juris) richteten sich die Vorwürfe gegen einen ehemaligen Finanzbeamten, der sich weigerte den Kaufpreis für ein Grundstück zu entrichten.
5.
Das Dienstvergehen war hier mit einem Verweis als der mildesten Form der Pflichtmahnung zu ahnden. Diese hat erzieherischen Charakter und soll den Beklagten anhalten, bei der Bearbeitung der ihm übertragenen Aufgaben gesetzeskonform zu agieren.
Diese Maßnahme ist hier auch unter Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalles angemessen. Dabei ist zu Lasten des Beklagten zu beachten, dass er in zahlreichen Fällen Dienstvergehen beging und dabei gegen unterschiedliche Vorschriften verstieß. Die Dienstvergehen erstreckten sich darüber hinaus über einen längeren Zeitraum und hatten auch eine nicht unerhebliche Auswirkung auf das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit.
Zu Gunsten des Beklagten ist jedoch zunächst zu beachten, dass er disziplinarrechtlich als nicht vorbelastet gilt. Soweit in der Disziplinarklage noch vorgehende Maßnahmen und Verfahren angesprochen werden, unterliegen diese nach dem eingetretenen Zeitablauf einem Verwertungsverbot gemäß § 16 Abs. 1 LDG. Zu seinen Gunsten und für die Verhängung einer milden Maßnahme spricht darüber hinaus insbesondere die lange Verfahrensdauer. Die Dienstvergehen wurden mit der Geschäftsprüfung im August 2011 aufgedeckt. Bis zur Entscheidung des Dienstgerichts sind mithin über neun Jahre vergangen.
Trotz dieser Umstände ist die hier verhängte Maßnahme noch als zweckmäßig anzusehen. Das vollständige Absehen von einer Sanktion wird der Schwere der festgestellten Verstöße und deren Ausmaß nicht gerecht. Es ist vielmehr angezeigt - trotz der Verfahrensdauer - noch erzieherisch auf den Beklagten einzuwirken.
Tenor
Gegen den Beklagten wird ein Verweis verhängt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
...Am ………….. wurde der Beklagte im Land Brandenburg zum Richter auf Probe ernannt. Er ist seit dem ……….. Richter am Landgericht mit einer Planstelle bei dem Landgericht …………. Mit der letzten Regelbeurteilung aus dem Jahr …….. wurde der Beklagte mit „übertrifft die Anforderungen“ beurteilt.
...
Im August 2011 fand eine Sondergeschäftsprüfung im Dezernat des Beklagten statt, in deren Folge der Präsident des Landgerichts ……… am 4. November 2011 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten einleitete.
Mit der Disziplinarklage vom 2. Oktober 2013, Eingang bei dem Richterdienstgericht am 11. Oktober 2013, wird dem Beklagten vorgeworfen,
a) in der Zeit vom 14. Juli 2011 bis zum 24. August 2011 in insgesamt 15 Fällen ohne sachlichen Grund angeforderte Verfahrensakten für die Prüfung von Dienstaufsichtsbeschwerden und einer Sondergeschäftsprüfung im August 2011 nicht vorgelegt und dadurch die Prüfung erheblich erschwert zu haben,
b) in der Zeit vom 4. März 2011 bis zum 6. September 2011 in 3 Fällen Urteile nicht innerhalb der nach § 315 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist von 3 Wochen nach Verkündung im Termin vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übergeben zu haben,
c) in der Zeit vom 22. Mai 2009 bis zum 26. August 2011 in 17 Fällen in anberaumten Verkündungsterminen keine Entscheidung verkündet zu haben.
d) in der Zeit vom 25. Februar 2011 bis zum 20. April 2011 in 6 Fällen mündlich verkündete Beschlüsse nicht gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO im Protokoll dokumentiert zu haben, die schriftlichen Fassungen seien erst 2-5 Monate später abgesetzt worden,
e) in der Zeit vom 16. August 2011 bis zum 6. September 2011 in zwei Fällen Bestandteile von Akten entfernt oder Schriftsätze der Akte nicht zugeführt zu haben,
f) in den Jahren 2010 und 2011 durch eigenmächtige Unterhaltskürzungen wiederholt zugelassen zu haben, dass Dienstbezüge aus einem Vergleich mit seiner geschiedenen Ehefrau gepfändet worden seien.
...
Der Kläger beantragt zuletzt,
gegen den Beklagten einen Verweis zu verhängen.
Der Beklagte beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die objektiven Vorwürfe nicht. Er sei jedoch in der betreffenden Zeit beruflich stark belastet gewesen und habe im Nachhinein „zu viel terminiert“. Daher habe er es in einzelnen Fällen nicht geschafft, Entscheidungen zeitnah absetzen zu können.
II.
1.
Es besteht zunächst kein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs. Das Brandenburgische Richtergesetz kennt keine eigene Regelung über die Verfolgungsverjährung. Insoweit sind über § 73 Abs. 1 BbgRiG die Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes sinngemäß anwendbar. Danach darf gemäß § 15 Abs. 1 BbgLDG zwar ein Verweis nicht mehr erteilt werden, wenn seit der Vollendung eines Dienstvergehens mehr als zwei Jahre vergangen sind. Hier stellt sich der Vorwurf gegen den Beklagten aber als einheitliches Dienstvergehen dar, das nach den Zeitangaben der Disziplinarklage mit der Sondergeschäftsprüfung am 6. September 2011 vollendet war. Das durch mehrere Verfehlungen zutage getretene Fehlverhalten ist einheitlich zu würdigen. Die Verstöße stehen hier in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang und lassen sich nicht verselbständigen (zur Einheit des Dienstvergehens nach dem Bundesdisziplinargesetz: Wittkowski in Urban/Wittkowski, a.a.O., 2. Aufl. 2017, § 2 BDG Rn. 12 m.w.N.). Insoweit beginnt auch die Verfolgungsverjährung erst mit Vollendung des einheitlichen Vergehens.
Innerhalb der Frist von zwei Jahren ist damit rechtzeitig am 4. November 2011 der Ablauf durch Einleitung des Disziplinarverfahrens erstmals und durch die Erhebung der Disziplinarklage mit Eingang bei Gericht am 11. Oktober 2013 nach § 15 Abs. 4 BbgLDG erneut unterbrochen worden. Die Rechtshängigkeit der Disziplinarklage hemmt gemäß § 15 Abs. 5 BbgLDG den Ablauf der Verjährung. Während dieser Rechtshängigkeit kann die Verjährungsfrist damit nicht enden (so für das inhaltlich übereinstimmende Bundesdisziplinargesetz: Urban in Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Aufl. 2017, § 15 BDG Rn. 18).
2.
Es besteht weiterhin kein Verfahrenshindernis wegen einer überlangen Verfahrensdauer.
Es liegt hier zwar ein Verstoß gegen die sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ergebende Verpflichtung nah, zivilrechtliche Streitigkeiten und strafrechtliche Anklagen unter anderem innerhalb einer angemessenen Frist zu verhandeln. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erstreckt den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK darüber hinaus jedenfalls auch auf Disziplinarverfahren gegen Beamte, da diese Verfahren eine arbeits- oder dienstrechtliche Streitigkeit darstellten, denen ein zivilrechtlicher Aspekt zukomme (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009, NVwZ, 2010, 1015, 1016). Das zu entscheidende Verfahren ist zudem durch das Richterdienstgericht über mindestens fünf Jahre nicht ordnungsgemäß gefördert worden. Die Disziplinarklage ist am 11. Oktober 2013 bei dem Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) eingegangen. Die Klage ist unverzüglich zugestellt worden. Eine Verzögerung liegt ebenfalls nicht darin, dass bis zum 3. September 2014 auf das Ergebnis einer Prüfung der Dienstfähigkeit des Beklagten zugewartet wurde. Seit diesem Zeitpunkt ist das Verfahren jedoch bis zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetz und der Errichtung des Dienstgerichts bei dem Landgericht Cottbus zum 21. Juni 2019 und der Terminierung am 26. August 2020 nicht mehr wesentlich gefördert worden.
Das Dienstgericht ist dennoch gehalten, dem Verfahren Fortgang zu geben und in der Sache zu entscheiden. Weder das Brandenburgische Richtergesetz noch das Landesdisziplinargesetz sehen eine Einstellungsmöglichkeit durch das Dienstgericht vor. Mit Entscheidung des Dienstgerichts ist die Disziplinarklage entweder abzuweisen oder auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Der überlange Zeitablauf kann sich demnach allenfalls auf die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme oder die Art der Disziplinarmaßnahme auswirken. Die Voraussetzungen für eine Wiedergutmachung für die Belastung durch das überlange Verfahren oder etwaige Entschädigungen gemäß § 198 GVG sind hier nicht dargetan und auch nicht Gegenstand des dienstgerichtlichen Verfahrens.
3.
Der vorgeworfene Sachverhalt steht für das Richterdienstgericht fest. Einer weiteren Beweisaufnahme gemäß § 59 LDG bedurfte es nicht. Der Beklagte hat sich nach Zustellung der Disziplinarklage nicht eingelassen. Im Rahmen des Erörterungstermins vom 20. November 2020 hat er den vorgeworfenen Sachverhalt zumindest objektiv nicht in Frage gestellt, sondern sein Verhalten mit einer Überlastung begründet. In entsprechender Anwendung des § 86 VwGO drängen sich hier damit nach dem anzuwendenden Untersuchungsgrundsatz weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht auf. Beweisanträge hat der Beklagte nicht gestellt.
Auf Grund dieser Feststellungen hat der Beklagte ein Dienstvergehen begangen, soweit er bezüglich der Vorwürfe a) und e) gegen die Pflicht zur Zusammenarbeit mit dem Dienstherren im Rahmen der Dienstaufsicht und der Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung verstoßen hat. Die mit den Vorwürfen b) bis d) beschriebenen Verstöße gegen die Zivilprozessordnung stellen ebenfalls Teile dieses einheitlichen Dienstvergehens dar, da der Beklagte hier zwingende gesetzliche Vorschriften missachtete. Soweit ihm jedoch unter f) vorgeworfen wurde, schuldhaft Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in sein eigenes Vermögen geduldet bzw. verursacht zu haben, erfüllt dieses Verhalten jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall die Voraussetzungen eines Dienstvergehens nicht.
Nach den hier über § 100 Satz 4 BbgRiG anwendbaren § 10 Abs. 1 BbgRiG a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LBG und § 47 Abs. 1 BeamtStG begehen Richterinnen und Richter ein Dienstvergehen, soweit sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Richterinnen und Richter sind nach Art. 108 Abs. 1 der Landesverfassung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie haben daher im Rahmen ihrer Unabhängigkeit die Gesetze einzuhalten und unterliegen der Dienstpflicht, diese Gesetze bei der Rechtsanwendung nicht zu verletzen. Darüber hinaus werden Richterinnen und Richter entgegen § 10 Abs. 1 BbgRiG a.F. in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LBG und § 34 Satz 3 BeamtStG nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die ihr Beruf erfordert, wenn sie sich bei der Bearbeitung in einer Vielzahl von Verfahren selbst nicht an die gesetzlichen Vorschriften halten.
zu a) und e)
Ein Verstoß gegen eine Dienstpflicht liegt zunächst darin, dass der Beklagte trotz mehrfacher Anforderungen, Akten dem Präsidenten des Landgerichts ……… nicht vorgelegt hat, die für die Prüfung von Dienstaufsichtsbeschwerden oder im Rahmen einer Geschäftsprüfung benötigt wurden. Richterinnen und Richter unterliegen gemäß § 11 Satz 1 BbgRiG a.F. und dem inhaltsgleichen § 10 BbgRiG in der seit dem 20. Juni 2018 gültigen Fassung in Verbindung mit § 26 Abs. 1 DRiG der Dienstaufsicht, soweit ihre Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird. Diese umfasst gemäß § 26 Abs. 2 DRiG auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und den Richter zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Ausfluss dieser Befugnis ist zudem, in die bearbeiteten Akten zum Zwecke der Ausübung der Dienstaufsicht Einblick zu nehmen. Soweit ein Richter dem Dienstherren diese Akten vorenthält und damit die Prüfung erschwert, verstößt er gegen eine Dienstpflicht.
Ebenfalls stellt es eine Dienstpflichtverletzung dar, Schriftsätze, die „lose“ zur Akte gereicht werden, nicht zur Akte zu nehmen und diese in einer Art und Weise gesondert aufzubewahren, dass der Akteninhalt nicht mehr zutreffend ist. Nach dem feststehenden Sachverhalt hat der Beklagte eine am 24. August 2011 eingegangene schriftsätzliche Gehörsrüge in dem Verfahren 1 S 23/10 zwar über seine Geschäftsstelle erhalten, diese jedoch nicht zur Akte gereicht. Der Schriftsatz befand sich weder bei der Prüfung der Akte am 6. September 2011 noch bei erneuter Prüfung am 5. Oktober 2011 in der Akte. Ebenso hatte der Beklagte in dem Verfahren 1 O 183/10 drei Sachstandsanfragen vom 20. Juni 2011, 11. Juli 2011 und vom 26. Juli 2011 zwar zunächst „lose“ im Vorzimmer des Präsidenten zur Geschäftsprüfung nachgereicht, nach Rückgabe an den Beklagten ordnete er diese jedoch der Akte nicht mehr zu.
zu b) bis d)
Gemäß § 315 Abs. 2 ZPO ist ein Urteil, das in einem Termin verkündet wird, vor Ablauf von drei Wochen nach der Verkündung vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Nur wenn dies ausnahmsweise nicht geschehen kann, ist innerhalb dieser Frist das unterschriebene Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe der Geschäftsstelle zu übermitteln. In diesem Fall sind Tatbestand und Entscheidungsgründe alsbald nachträglich anzufertigen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und nachzureichen.
Gegen diese Pflicht hat der Beklagte nach dem zu Grunde zu legenden Sachverhalt in drei Fällen verstoßen. Unabhängig davon, dass Gründe für eine Ausnahme von der „3 Wochen Frist“ nicht ersichtlich sind, fehlt es zudem an der Übermittlung eines unterschriebenen Urteils ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe.
Die Frist des § 315 Abs. 2 ZPO ist eine zwingende gesetzliche Frist. Die Vorschrift räumt dem Richter kein Ermessen ein. Ein Verstoß gegen diese zwingende gesetzliche Frist stellt damit ein Dienstvergehen dar.
Dies gilt ebenso, soweit der Beklagte in 17 beschriebenen Fällen Verkündungstermine „verstreichen“ ließ, ohne eine Entscheidung zu verkünden. Das Gesetz geht gemäß § 310 ZPO davon aus, dass ein Urteil - entsprechend anwendbar gemäß § 329 Abs. 1 ZPO für Beschlüsse - entweder in dem Termin verkündet wird, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in vollständig abgefasster Form in einem gesonderten Termin zu verkünden ist. Gegen diese - ebenfalls zwingende - gesetzliche Vorschrift wird verstoßen, soweit die Entscheidung weder in dem Termin, noch in dem anberaumten Verkündungstermin verkündet wurde. Der Richter hat zwar das Ermessen, gemäß § 156 ZPO eine geschlossene Verhandlung wiederzueröffnen, insoweit kann auch ein „überholter“ Verkündungstermin aufgehoben werden, eine solche Entscheidung hat der Beklagte jedoch in keinem der bezeichneten Fälle getroffen. Nach den Feststellungen sind vielmehr die getroffenen Entscheidungen nachträglich und außerhalb des Verkündungstermins zur Akte gereicht worden.
Schließlich verstößt es ebenfalls gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, soweit der Beklagte in 6 Fällen zwar im Termin Beschlüsse mündlich verkündete, diesen Inhalt aber entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO nicht zu Protokoll nahm. Zwar ist es dem Richter unbenommen, in der mündlichen Verhandlung Beschlüsse „ihrem wesentlichen Inhalt“ nach zu verkünden, die schriftliche Abfassung dieses Beschlusses ist dann aber als Anlage zu Protokoll zu nehmen. Ein Nachreichen des Inhalts nach Verkündung und Fertigstellung des Protokolls sieht das Gesetz nicht vor.
In der Gesamtheit der dargestellten Verstöße zeigt sich auch, dass nicht nur ein unbeachtlicher, leicht fahrlässiger Verstoß gegen zwingende Vorschriften gegeben ist, sondern der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen seiner Pflicht zur gesetzeskonformen Anwendung der Verfahrensvorschriften nicht nachkam. In der Gesamtschau mit der vom Beklagten selbst empfundenen Überlastung ist den dargestellten Gesetzesverletzungen gemein, dass jeweils Beschlüsse oder Urteile nicht innerhalb der selbst gesetzten oder gesetzlich vorgesehenen Fristen abgefasst werden konnten. Eine subjektiv bestehende oder zumindest als solche empfundene Überlastung kann den Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften jedoch nicht rechtfertigen oder entschuldigen. Abgesehen davon, dass eine Überlast durch den Beklagten nicht angezeigt worden war, wäre es ihm möglich gewesen, gesetzeskonform Termine zu verlegen, seine Arbeit entsprechend der Belastung zu organisieren oder sogar andere Hilfestellungen zu suchen. Das Dienstvergehen liegt hier darin, dass der Beklagte gegen Gesetzesvorschriften verstieß, nicht jedoch in dem Vorwurf, ein übertragenes Pensum nicht in einer vorgegebenen Arbeitszeit bewältigt zu haben.
4.
Soweit dem Beklagten darüber hinaus vorgeworfen wird, durch eine einseitige Kürzung von Unterhaltszahlungen wiederholte Vollstreckungen in seine Dienstbezüge durch seine ehemalige Ehefrau verursacht zu haben, kann das Dienstgericht in diesem - außerdienstlichen - Verhalten ein zu sanktionierendes Dienstvergehen nicht erkennen.
Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dies setzt somit voraus, dass die Bedeutung der außerdienstlichen Pflichtverletzung deutlich über das Maß hinausgehen muss, das ohnehin bei jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung gegeben ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Nach dem hier zu Grunde liegenden Sachverhalt schloss der Beklagte zunächst mit seiner ehemaligen Ehefrau einen familiengerichtlichen Vergleich über die Höhe der Unterhaltszahlungen. Nach der - nach dem Verständnis des Dienstgerichts unstreitigen - Verbesserung der Einkommensverhältnisse der ehemaligen Ehefrau kürzte der Beklagte jedoch einseitig seine Leistungen, ohne Abänderungsklage zu erheben oder in anderer Form Vollstreckungshandlungen aus dem Vergleich zu verhindern.
Es nicht erkennbar, inwieweit dieses Verhalten - im besonderen Maße - das Vertrauen in die Ausübung des Richteramtes beeinträchtigen kann. Die Vollstreckungen, die durch Pfändung und Überweisung der Dienstbezüge erfolgten, hatten allenfalls eine geringe Außenwirkung. Der Beklagte ist zudem nicht in Vermögensverfall geraten, so dass zu befürchten gewesen wäre, seine richterliche Unabhängigkeit hätte durch finanzielle Abhängigkeiten beeinflusst werden können. Ein bewusstes Missachten eines geschlossenen Vergleichs oder ein besonders „unehrenhaftes“ Verhalten, wie es wohl die Disziplinarklage annimmt, liegt darin nach Einschätzung des Dienstgerichts nicht. Vielmehr hat der Beklagte sich finanziell durch die Vollstreckungen selbst geschädigt. Die mit der Disziplinarklage genannten Entscheidungen anderer Gerichte in beamtenrechtlichen Disziplinarsachen können im Übrigen mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht gleichgesetzt werden. In dem Urteil des VG Berlin vom 19. November 2003 (80 A 20.03, juris) wurde dem Beamten neben zahlreichen Straftaten vorgeworfen, Unterhaltszahlungen bewusst vorenthalten zu haben, da er davon ausgegangen sei, dass die Unterhaltsvorschusskasse für den Unterhalt aufkommen werde. In dem Urteil des VG Berlin vom 22. September 2005 (80 A 62.01, juris) richteten sich die Vorwürfe gegen einen ehemaligen Finanzbeamten, der sich weigerte den Kaufpreis für ein Grundstück zu entrichten.
5.
Das Dienstvergehen war hier mit einem Verweis als der mildesten Form der Pflichtmahnung zu ahnden. Diese hat erzieherischen Charakter und soll den Beklagten anhalten, bei der Bearbeitung der ihm übertragenen Aufgaben gesetzeskonform zu agieren.
Diese Maßnahme ist hier auch unter Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalles angemessen. Dabei ist zu Lasten des Beklagten zu beachten, dass er in zahlreichen Fällen Dienstvergehen beging und dabei gegen unterschiedliche Vorschriften verstieß. Die Dienstvergehen erstreckten sich darüber hinaus über einen längeren Zeitraum und hatten auch eine nicht unerhebliche Auswirkung auf das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit.
Zu Gunsten des Beklagten ist jedoch zunächst zu beachten, dass er disziplinarrechtlich als nicht vorbelastet gilt. Soweit in der Disziplinarklage noch vorgehende Maßnahmen und Verfahren angesprochen werden, unterliegen diese nach dem eingetretenen Zeitablauf einem Verwertungsverbot gemäß § 16 Abs. 1 LDG. Zu seinen Gunsten und für die Verhängung einer milden Maßnahme spricht darüber hinaus insbesondere die lange Verfahrensdauer. Die Dienstvergehen wurden mit der Geschäftsprüfung im August 2011 aufgedeckt. Bis zur Entscheidung des Dienstgerichts sind mithin über neun Jahre vergangen.
Trotz dieser Umstände ist die hier verhängte Maßnahme noch als zweckmäßig anzusehen. Das vollständige Absehen von einer Sanktion wird der Schwere der festgestellten Verstöße und deren Ausmaß nicht gerecht. Es ist vielmehr angezeigt - trotz der Verfahrensdauer - noch erzieherisch auf den Beklagten einzuwirken.