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Unterhaltsanspruch eines Ehegatten nach der Scheidung: Betreuungsunterhalt

Nachehelicher Unterhalt wegen Betreuung von Kindern, § 1570 BGB

In den Jahren um 2005 herum sah sich der Gesetzgeber verpflichtet, das Unterhaltsrecht für eheliche und nichteheliche Kinder weitgehend gleich zu regeln.
Das Gesetz gibt seit 2008 für den geschiedenen, ein gemeinsames Kind betreuenden (führeren) Ehegatten unterhaltsrechtlich gleiche oder ähnliche Regeln vor wie für den betreuenden Ehegatten während der Trennungsphase und für eine ledige Mutter (und das nichteheliche Kind, § 1651 BGB) und
mutet dem betreuenden Elternteil im Regelfall frühestens dann zu,
eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen, wenn das Kind drei Jahre alt geworden ist.

Ein Elternteil, das ein Kind zu betreuen hat ist für die Zeit von drei Jahren seit Geburt des Kindes in aller Regel unterhaltsbedürftig.
Er / sie kann sich in den ersten drei Lebensjahren des Kindes grundsätzlich frei entscheiden, ob er / sie das Kind selbst betreuen oder auf eine andere Betreuungsmöglichkeit zurückgreifen möchte.
Eine bestehende Erwerbstätigkeit kann aufgegeben werden.

Ist das Kind drei Jahre alt, dann entscheiden die Umstände des Einzelfalles.

§ 1570 BGB

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.


Vom 3. Geburtstag an: Vorrang der Fremdbetreuung

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 18.03.09 und in weiteren Urteilen - u.a. vom 30.03.11, XII ZR 3/09 - die Abkehr von der bis Ende 2007 gewachsenen Rechtsprechung vollzogen und das frühere Altersphasenmodell als nicht mehr gesetzeskonform bezeichnet.
Im Jahr 2011 kam es wegen der Entscheidungen des BGH zu Kontroversen unter Juristen und in der Öffentlichkeit: der BGH verfolge zwar verständliche rechtspolitische Ziele, er steuere diese Ziele aber zu schnell und ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Realität an.
Denn nicht für jedes Scheidungs- oder Trennungskind kann eine Betreuung arrangiert werden. Der Bundesgerichtshof greift also der gesellschaftlichen Entwicklung vor, wenn er einen Vorrang der Fremdbetreuung postuliert und verlangt:

Der betreuende Elternteil muss bei einem Kind, das drei Jahre alt oder älter ist, darlegen und beweisen, dass in dem konkreten Einzelfall ein besonderer Betreuungsbedarf besteht, der durch Institutionen wie Kindergarten, Schule, Betreuungsgruppen usw. nicht abgedeckt werden kann.

Diese Rechtsprechung hat der BGH in einem Urteil vom 18.04.12 - XII ZR 65/10 - noch einmal bekräftigt und dazu ausgeführt, dass sich ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen könne, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besuche oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte.
Die Entscheidung äußert sich auch zu der Frage, welches individuellen, kindbezogenen Gründe für eine persönliche Betreuung durch Mutter oder Vater sprechen können. Bei der Lektüre wird wieder einmal deutlich, dass den Familienrichtern im Zusammenhang mit diesen Fällen schwierige Bewertungsprobleme vorgelegt werden.

Schematisch lässt sich das alles nicht lösen. Viele Kriterien sind zu berücksichtigen.

Im Vordergrund stehen dabei auf die Person des Kindes bezogene Gründe, etwa Entwicklungsstörungen, dauerhafte Erkrankung oder eine Behinderung.
Natürlich muss eine kindgerechte Betreuungsmöglichkeit gegeben sein, um die sich der betreuende Elternteil rechtzeitig bemühen muss. In diesem Zusammenhang kann es leider allerlei Anlass zu Streit zwischen den Eltern geben, etwa über die Wahl der Betreuungseinrichtung, den "Einsatz" der Großeltern und vieles mehr.
In gewissem Umfang können auch elternbezogene Gründe erwogen werden. So kann es Bedeutung haben, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte bereits während der Ehe neben der Kinderbetreuung gearbeitet hat.
Auch kann sich die Bewertung wieder verändern, wenn das Kind eingeschult und nicht mehr ganztags betreut wird.
Feste Regeln lassen sich kaum entwickeln, weil in diesem Bereich des Unterhaltsrechts immer die Umstände des Einzelfalles entscheidend sein werden.

Um noch einmal auf die oben erwähnte Parallele zum Unterhaltsanspruch der ledigen Mutter zurück zu kommen: In einem Beschluss vom 10.06.15 - XII ZB 251/14 -, den Sie u.a. in NJW 2015, 2257 ff. nachlesen können, hat sich der BGH ausführlich mit der Frage befasst, ob und in wie weit die ledige Mutter eines behinderten Kindes (Down-Syndrom), die wegen der Betreuung des Kindes ihr Studium erst verspätet beenden konnte, über das dritte Lebensjahr hinaus Unterhalt vom Vater des Kindes verlangen kann. In dem Beschluss sind die maßgeblichen Kriterien dargestellt. Es ist aber auch ersichtlich, dass es immer um die besonderen Umstände des Einzelfalles geht: Der BGH hat die Sache an das Oberlandesgericht zurück verwiesen, weil noch genauer aufzuklären ist, welche Art von Betreuung dem Wohl des Kindes gerecht werden könnte. Da geht dann ein Prozess in die nächste(n) Runde(n).

Wenn die grundsätzlichen Fragen geklärt sind, dann kann der Streit um die Höhe des zu zahlenden Unterhalts beginnen, die - kurz gesagt - von den (früheren) ehelichen Lebensverhältnissen abhängig ist. Es sind dann weitere Bewertungen notwendig, was konkret in die Berechnungen einzustellen ist. Dann ergibt sich ein komplexes Rechenwerk.

Literatur

Eine gute Zusammenfassung der Problematik findet sich in dem Aufsatz von Prof. Dr. Winfried Born "Verlängerung des nachehelichen Unterhalts wegen Kindesbetreuung" in NJW 2015, 534 ff.
Familienrecht / Übersicht
Unterhaltsrecht / Übersicht
Ehegattenunterhalt
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