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Kindesunterhalt: Mehrbedarf

Der unterhaltsrechtliche Bedarf wird oft anhand von Tabellen geschätzt.
Es kann aber Mehrbedarf geben.

Das Unterhaltsrecht will dem Kind unter Berücksichtigung seiner individuellen Lebenssituation gerecht werden, so dass jeweils auch zu fragen ist, ob Bedarf gegeben ist, der über den Rahmen dessen hinaus geht, was von Tabellen ganz schematisch erfasst wird bzw. den tabellarischen Werten zugrunde liegt.
Nicht von der Tabelle erfasst ist Sonderbedarf des Kindes, der sich überraschend ergibt.
Hier geht es um Mehrbedarf, der voraussehbar und planbar ist, von den üblichen Tabellensätzen aber nicht erfasst wird, weil er nicht in jedem Fall gegeben ist.

Beispiel Förderunterricht

Als Beispiel könnte zum Beispiel der Fall dienen, dass das Kind wegen einer Lese-Schreib-Schwäche einer Therapie in einem privaten Institut bedarf. Die Kosten dafür fallen über längere Zeit an, sind planbar (deshalb nicht Sonderbedarf), übersteigen aber das Übliche so stark, dass sie in den Tabellenwerten nicht erfasst sind.
Am 10.07.13 hat der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen XII ZB 298/12 folgendes beschlossen:
1. Kosten für den längerfristigen Besuch von Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut (hier: Therapie einer Lese-Rechtschreib-Schwäche) können unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf begründen.
2. Für berechtigten Mehrbedarf eines minderjährigen Kindes haben grundsätzlich beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen, so dass vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen ist (im Anschluss an Senatsurteil vom 26.11.08, XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962).

Kosten der Klassenreise als Mehrbedarf?

Es kann sich als kompliziert erweisen, eine richtige Lösung für die Kosten einer Klassenreise zu finden. Ist es planbarer Mehrbedarf und sind die Kosten im laufenden Unterhalt schon enthalten, so dass vom laufenden Unterhalt Rücklagen zu bilden sind? Dann ist neben dem Tabellenunterhalt nichts extra zu zahlen.
Die Juristen streiten sich. Die Eltern sollten sich einigen.

Beispiel Kindertagesstätte

Ein anderer, oft streitiger Mehrbedarfsposten:
Das Kind besucht eine Kindertagesstätte. Wer soll die Kindergartengebühren zahlen: der Elternteil, der eigentlich die Betreuung selbst erbringen soll? Oder beide anteilig? Oder der Barunterhaltspflichtige allein?

In aller Regel stellt sich die Frage dann, wenn der betreuende Elternteil (auch) erwerbstätig ist und das Kind deshalb den ganzen Tag über den Kindergarten besucht.
Dann ging eine verbreitete Meinung davon aus, dass die Kosten eines Kindergartens von dem betreuenden Elternteil zu tragen sind, weil ihm so eine Vollzeitbeschäftigung ermöglicht wurde.
Bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts wurden diese Kosten (gewissermaßen als berufsbedingte Aufwendungen) abgezogen, so dass auf diesem Wege faktisch auch der andere Elternteil an den Aufwendungen beteiligt wurde.
Der Bundesgerichtshof hat die Dinge in einer Entscheidung vom 05.03.08 - XII ZR 150/05 - anders geordnet. Ihm behagte es (seinerzeit) nicht, die Kindergartenkosten auf der Ebene des Ehegattenunterhalts zu verrechnen.
Vielmehr nahm er einen unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf des Kindes an, soweit die Betreuung im Kindergarten über die halbtägige Betreuung hinaus geht oder die Kosten den Betrag von EUR 50,00 im Monat überschreiten.
An solchem unterhaltsrechtlichem Mehrbedarf (der etwas anderes ist als Sonderbedarf) sollen sich grundsätzlich beide Elternteile entsprechend dem Verhältnis ihrer unterhaltsrechtlich relevanten Einkünfte beteiligen.

Diese Entscheidung des BGH vom 05.03.08 wurde dann noch fortgeführt bzw. verändert durch ein Urteil des BGH vom 26.11.08 - XII ZR 65/07 -, in welchem Kindergartenkosten (gemindert um in ihnen enthaltene Verpflegungskosten) insgesamt als Mehrbedarf des Kindes anerkannt wurden.
Diese Rechtsprechung zu der unterhaltsrechtlichen Bedeutung von Kindergarten- und Betreuungskosten ist insbesondere für die betreuenden Elternteile günstiger, die keinen eigenen Anspruch auf Ehegattenunterhalt haben. Denn sie erhalten nun mehr Kindesunterhalt.
Den Gerichten wird eine bisweilen sehr strittige Entscheidung des Einzelfalles danach erspart, ob es nun um die Ermöglichung der Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils (in der Zeit, in der die Betreuung des Kindes durch die Kinderkrippe / den Kindergarten gewährleistet ist) ging oder um eine Ganztagesbetreuung aus pädagogischen Gründen. Mit solchen Erwägungen versuchte man früher nämlich zu differenzieren.
Die Entscheidung des BGH ist abgedruckt in NJW 2009, 1816 ff., aber Sie finden sie auch im Internet.

Krankenversicherung des Kindes

Vor und nach der Scheidung kann das Kind unabhängig von seinem Lebensmittelmittelpunkt kostenfrei mitversichert werden, wenn ein Elternteil gesetzlich versichert ist, sei es nun pflichtversichert oder freiwillig.
Das OLG Frankfurt/Main hat in einem Beschluss vom 18.04.12 - 3 UF 379/11 - einem Kind noch einen Anspruch auf Zahlung der Kosten der privaten Krankenversicherung gewährt, in einem nahezu identlischen Fall aber durch Beschluss vom 26.02.20 - 6 UF 237/19 - das Kind darauf verwiesen, beim getrennt lebenden, barunterhaltspflichtigen Vater mit pflichtversichert zu sein. Der Vater musste die Beiträge der privaten Versicherung des Kindes nicht zahlen.

Jeder Unterhaltsbedarf sollte alsbald geltend gemacht werden.

Melden Sie Mehrbedarf alsbald beim Barunterhaltsverpflichteten an, denn Mehrbedarf kann grundsätzlich nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
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Dauer und Höhe
Kinder unter 18 Unterhalt für Kinder unter 18 Geltendmachung Wechsel der Alleinbetreuung Betreuung im Wechselmodell Vorrang des Minderjährigen Höhe des Barunterhalts Sonderbedarf des Kindes Erwerbsobliegenheit der Eltern Eigener Bedarf der Eltern Einkommensgefälle Eltern Kindeseinkommen - Einkommen Auszubildender
18 bis 21 Jahre privilegierte Schüler unter 21 - Berechnungsbeispiel
volljährige Kinder Bedarf volljähriger Kinder Orientierungsphase Studenten Berufsausbildung
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