Assessment-Center als Auswahlelement / Vorrang der dienstlichen Beurteilung
Das AC-Verfahren mit Elementen wie Vortrag, Interview und Rollenspiel als Element der Personalauswahl beschäftigt die Verwaltungsgerichte eher selten.
Die Meinungen zur Bedeutung des AC-Verfahrens als Erkenntnisquelle der Personalauswahl sind geteilt.
Überwiegend wird wohl die Auffassung vertreten, dass schriftliche Tests und Auswahlverfahren mit Assessment-Center-Elementen im Vergleich mit dienstlichen Beurteilungen nur beschränkte Aussagekraft haben.
Assessmentcenter können nach dieser Meinung nur die Beurteilungsgrundlagen erweitern und das anderweitig gewonnene Bild über einen Bewerber abrunden.
Der Bundeslaufbahnverordnung wurde in § 33 Absatz 1 ein neuer Satz hinzugefügt:
"§ 33 Auswahlentscheidungen
(1) Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung sind in der Regel auf der Grundlage aktueller dienstlicher Beurteilungen zu treffen. Frühere Beurteilungen sind zusätzlich zu berücksichtigen und vor Hilfskriterien heranzuziehen. Zur Überprüfung der Erfüllung von Anforderungen, zu denen die dienstlichen Beurteilungen keinen Aufschluss geben, können eignungsdiagnostische Instrumente eingesetzt werden. Die §§ 8 und 9 des Bundesgleichstellungsgesetzes sind zu beachten."
Gründe für den Vorrang der dienstlichen Beurteilungen:
Prüfungen dieser Art- vermitteln in der Regel nicht mehr als eine Momentaufnahme,
- decken zwangsläufig nur einen Teil der Anforderungen des neuen Amtes bzw. der neuen Laufbahn ab,
- sind von der Tagesform des Bewerbers abhängig,
- können möglicherweise "geübt" werden.
Wer sich in einer Prüfungssituation bewährt, ist nicht zwangsläufig der leistungsstärkste und beste Bewerber.
Dienstliche Beurteilungen beziehen sich hingegen regelmäßig auf einen längeren, meist mehrjährigen Zeitraum, in dem der Beamte den konkreten vielfältigen Anforderungen seines Amtes gerecht zu werden hatte, und bieten nach ihrer Zweckbestimmung eine weitaus gesichertere Grundlage für die Feststellung der Eignung im Rahmen einer Personalentscheidung.
Der Einwand, dienstliche Beurteilungen könnten fehlerhaft sein und hingen - anders als "objektive Tests" - vom persönlichen Eindruck des Dienstvorgesetzten ab, greift nicht durch.
Abgesehen davon, dass dem Beurteiler die selbstverständliche Pflicht obliegt, den Beamten gerecht, unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen (BVerwGE 106, 318 [319] = NVwZ 1998, 1302), und dass dies verfahrensmäßig meist durch Einbeziehung eines weiteren Vorgesetzten gesichert wird, enthalten auch Prüfungen zwangsläufig subjektive Elemente, schon bei der Auswahl der Prüfungsfragen und -antworten eines schriftlichen Tests oder der Aufgaben in einem Assessment Center, vor allem aber bei der Bewertung mündlicher Leistungen.<br />
Aus Hamburg sind uns Ausgestaltungen von entsprechenden Verfahren bekannt, die uns - mit Verlaub - an das Absurde zu grenzen scheinen.
Zu erwähnen ist aber, dass in § 12 der bremischen Beurteilungsverordnung das Assessment Center als "anderes Instrument zur Feststellung der Eignung und Befähigung" anerkannt ist.
Literaturhinweise
Wollen Sie sich eingehender mit der Rechtslage beschäftigen, so kommen Sie nicht vorbei an dem folgenden Aufsatz: Dr. Hellmuth Günther, "Rechtsrahmen von Assessment-Centern bei der Beförderungsauswahl", DÖD 2006, 146 ff.Von demselben Autor finden Sie den Aufsatz "Dienstliche Beurteilung und Assessment-Center" in RiA 2013, 57 ff. und ferner den Aufsatz "Assessmentcenter bei Beförderungsauswahl" in ZBR 2019, 18 ff. Insbesondere an dem letztgenannten Aufsatz kommen Sie nicht vorbei, wenn Sie ernsthaft mit dem Problem befasst sind.
Ergänzend sei erwähnt Herr Guido Kämmerling mit seinem Aufsatz "Das Leistungprinzip im Fortgang der Rechtsprechung" (RiA 2013, 49 ff., zur Anwendung der AC-Methode insbesondere S. 53 f.
Sehr interessant ist der Aufsatz von Jürgen Lorse, "Zum Stand der Personalentwicklung im öffentlichen Dienst - dienstrechtliche Anmerkungen", in ZBR 2018, 145 ff.
Rechtsprechung
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Assessment-Center-Verfahren als Mittel der Personalauswahl gebilligt. In einer Entscheidung vom 29.01.03 - 6 P 16.01 - hat es festgestellt, die Einführung und Ausgestaltung eines Assessment-Centers unterliege der Mitbestimmung des Personalrats.Die Entscheidung beschreibt die Bedeutung dieses Verfahrens aus Sicht des BVerwG.
Das OVG NRW hat im Herbst 2010 noch einmal die - gegenüber dienstlichen Beurteilungen - nur eingeschränkte Aussagekraft der Ergebnisse eines Assessmentcenters wie folgt erläutert:
Oberverwaltungsgericht NRW Beschluss vom 08.11.2010 - 6 B 977/10 -
Das vom Antragsgegner durchgeführte "Auswahlverfahren in Form eines eintägigen Vorstellungstermins mit Elementen eines Assessment-Centers" ist nicht geeignet, dieses Defizit auszugleichen. Die Aufgabenstellungen im Rahmen der Präsentation und des Interviews standen zwar vorwiegend im Zusammenhang mit dem zu besetzenden Dezernat Luftverkehr. Ein Assessment-Center ist aber als Momentaufnahme schon seiner Konzeption nach nicht geeignet, an die Stelle einer Beurteilung zu treten, die regelmäßig einen längeren Leistungszeitraum abbildet.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 05.11.07 – 6 A 1249/06 –, m.w.N.
Unter diesen besonderen Fallumständen war die Erstellung von Anlassbeurteilungen unvermeidlich. Nur dadurch konnte dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Bestenauslese Rechnung getragen werden, das gegenüber etwa entgegenstehenden Verwaltungsvorschriften den Vorrang beansprucht. Davon abgesehen war aber auch nach den Richtlinien für die dienstliche Beurteilung zur Vorbereitung von Personalmaßnahmen, insbesondere Beförderungsentscheidungen (...), nach denen die Beurteilungen im Bereich der Bezirksregierung N. vorgenommen werden, eine "Beurteilung aus sonstigem besonderem Anlass" möglich.
Das vom Antragsgegner durchgeführte "Auswahlverfahren in Form eines eintägigen Vorstellungstermins mit Elementen eines Assessment-Centers" ist nicht geeignet, dieses Defizit auszugleichen. Die Aufgabenstellungen im Rahmen der Präsentation und des Interviews standen zwar vorwiegend im Zusammenhang mit dem zu besetzenden Dezernat Luftverkehr. Ein Assessment-Center ist aber als Momentaufnahme schon seiner Konzeption nach nicht geeignet, an die Stelle einer Beurteilung zu treten, die regelmäßig einen längeren Leistungszeitraum abbildet.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 05.11.07 – 6 A 1249/06 –, m.w.N.
Unter diesen besonderen Fallumständen war die Erstellung von Anlassbeurteilungen unvermeidlich. Nur dadurch konnte dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Bestenauslese Rechnung getragen werden, das gegenüber etwa entgegenstehenden Verwaltungsvorschriften den Vorrang beansprucht. Davon abgesehen war aber auch nach den Richtlinien für die dienstliche Beurteilung zur Vorbereitung von Personalmaßnahmen, insbesondere Beförderungsentscheidungen (...), nach denen die Beurteilungen im Bereich der Bezirksregierung N. vorgenommen werden, eine "Beurteilung aus sonstigem besonderem Anlass" möglich.
Neuere Entscheidungen lauten in ihren Leitsätzen auszugsweise wie folgt:
VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 08.08.19, 1 L 731/19.NW
3. Ein Assessment kann Teil eines Auswahlprozesses um eine Beförderungsstelle sein, insbesondere wenn für den Bewerber keine verwertbare dienstliche Beurteilung vorhanden ist, eine solche auch nicht im Wege der Fortschreibung erstellbar und der Bewerber als freigestellter Personalrat auch aktuell nicht beurteilungfähig ist.
4. Einem beamteten Bewerber um eine Beförderungsstelle, auch einem langjährig freigestellten Personalratsmitglied, ist in der Regel die Teilnahme an einem Assessment zumutbar.
5. Nimmt ein Bewerber nicht an einem Assessment teil, darf dies der Dienstherr regelmäßig zu dessen Lasten werten.
3. Ein Assessment kann Teil eines Auswahlprozesses um eine Beförderungsstelle sein, insbesondere wenn für den Bewerber keine verwertbare dienstliche Beurteilung vorhanden ist, eine solche auch nicht im Wege der Fortschreibung erstellbar und der Bewerber als freigestellter Personalrat auch aktuell nicht beurteilungfähig ist.
4. Einem beamteten Bewerber um eine Beförderungsstelle, auch einem langjährig freigestellten Personalratsmitglied, ist in der Regel die Teilnahme an einem Assessment zumutbar.
5. Nimmt ein Bewerber nicht an einem Assessment teil, darf dies der Dienstherr regelmäßig zu dessen Lasten werten.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16.04.20 - 1 B 2734/18 -
Leitsatz
1. Als Instrument zur Qualifikationsfeststellung von Bewerbern im Rahmen der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG hat ein Assessment-Center nicht den gleichen Erkenntniswert wie dienstliche Beurteilungen/Arbeitszeugnisse, da Erkenntnisse aus einem Assessment-Center als Momentaufnahmen lediglich Aussagen zu Eignung und Befähigung, nicht aber zur fachlichen Leistung ermöglichen.
2. Beruhen Beurteilungen von Bewerbern auf unterschiedlichen Beurteilungssystemen, hat der für die Auswahl zuständige Dienstherr einen objektiven Vergleichsmaßstab zu bilden, auf dessen Grundlage er die Qualifikationseinschätzungen der Bewerber miteinander vergleichen kann.
3. Konstitutive Merkmale eines Anforderungsprofils müssen objektiv und ohne zusätzliches Werturteil des Dienstherrn eindeutig und unschwer festgestellt werden können.
Leitsatz
1. Als Instrument zur Qualifikationsfeststellung von Bewerbern im Rahmen der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG hat ein Assessment-Center nicht den gleichen Erkenntniswert wie dienstliche Beurteilungen/Arbeitszeugnisse, da Erkenntnisse aus einem Assessment-Center als Momentaufnahmen lediglich Aussagen zu Eignung und Befähigung, nicht aber zur fachlichen Leistung ermöglichen.
2. Beruhen Beurteilungen von Bewerbern auf unterschiedlichen Beurteilungssystemen, hat der für die Auswahl zuständige Dienstherr einen objektiven Vergleichsmaßstab zu bilden, auf dessen Grundlage er die Qualifikationseinschätzungen der Bewerber miteinander vergleichen kann.
3. Konstitutive Merkmale eines Anforderungsprofils müssen objektiv und ohne zusätzliches Werturteil des Dienstherrn eindeutig und unschwer festgestellt werden können.