Beförderungsrichtlinien im Licht von Art. 33 II GG
Bei der Beförderungsauswahl unter Beamten und Richtern gilt das Prinzip der Bestenauslese, Art. 33 II GG.
Insbesondere wenn es um Dienstzweige mit großer Personalstärke geht und sog. Massenbeförderungen zu organisieren sind, versucht die Verwaltung, die Kriterien und die Auswahlverfahren zu standardisieren. Immer wieder werden Laufbahnverlaufsmodelle entwickelt oder Beförderungsrichtlinien erlassen.
Die Richtlinien / Ranglisten müssen so konzipiert sein, dass sie den Grundsatz der Bestenauslese realisieren, der in Art. 33 II GG verankert ist. Erfüllen Beförderungsrichtlinien diese Voraussetzung nicht, etwa weil sie mit dem Dienstalter ein unzulässiges Auswahlkriterium zu sehr in den Vordergrund stellen, sind sie rechtswidrig.
Spätesten seit Mitte 2021 wird man ferner erwarten dürfen, dass derartige Richtlinien zumindest eine grundlegende Regelung in einem Gesetz oder einer Verordnung erhalten, da auch in diesem Bereich der Parlamentsvorbehalt gelten dürfte.
Jedenfalls für Beurteilungsrichtlinien gilt dies:
Zur Zeit finden Sie in gerichtlichen Entscheidungen bisweilen Formulierungen wie die folgende:
"Die vom BMI erlassenen Bestimmungen über die Personalbewirtschaftung der zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat gehörenden Dienststellen mit dem Stand vom 1. Oktober 2019 (und wohl auch mit dem früheren Stand vom 25. November 2016), die in Nr. 9. 1.6 bei gleicher Gesamtpunktzahl der Bewerber sogleich die Durchführung eines – leistungsferneren – Auswahlgesprächs vorsehen, sind gemessen an den oben dargestellten Grundsätzen erkennbar rechtswidrig."
(Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 21.02.22 - 1 B 1353/21 - RN 45)
Ein Beispiel aus der Zeit ab 2008: Damals hat das Laufbahnverlaufsmodell der Polizei Hamburg Anlass zu Streit geboten, weil es die sogenannten "Verweilzeiten im Voramt" zu sehr betonte.
Dass es nicht zulässig ist, die Verweildauer im Amt zum maßgeblichen Kriterium für eine Beförderungsauswahl zu machen, hätte man von vornherein wissen können, denn es gab dazu deutliche Rechtsprechung. Dennoch hat man sich auf das Wagnis eingelassen, gegen die Verfassung zu verstoßen (Art. 33 II GG), und ist damit gescheitert. Dass man nicht von Anfang an sorgfältig vorging, hat in Hamburg zu vielen Nachteilen für viele Beamte geführt.
Mit der im Jahr 2010 erlassenen, neuen Beförderungsrichtlinie für die Polizei Hamburg verhielt es sich ähnlich.
Tatsächlich wurde auch dieses System im Frühjahr 2012 gestoppt.
Inzwischen zeigt sich deutlich, dass das ursprüngliche Laufbahnverlaufsmodell nicht nur rechtswidrig, sondern insgesamt so schlecht konzipiert war, dass die Beförderungserwartungen der Polizeibeamten immer wieder enttäuscht werden. Das wird auf längere Zeit noch so bleiben.
Beförderungsrichtlinien können von den Gerichten darauf hin untersucht werden, ob sie gegen das geltende Verfassungsrecht verstoßen, insbesondere gegen den Leistungsgrundsatz aus Art. 33 II GG.
Dazu muss man aber einschränkend anmerken: es kann nicht ein einzelner Bürger oder ein einzelner Anwalt die Rechtswidrigkeit gerichtlich feststellen lassen, denn eine so genannte Popularklage kennt unser Verwaltungsrecht in diesem Bereich nicht. Eine Verletzung des Verfassungs- oder Beamtenrechts kann nur der geltend machen, der selbst betroffen und in seinen "subjektiv-öffentlichen Rechten" verletzt ist. Also ein Beamter, der wegen der Rechtswidrigkeit der Richtlinie nicht befördert wird, obwohl er nach Leistungsgesichtspunkten zu berücksichtigen wäre.
Im Zusammenhang mit der Aufstellung entsprechender Richtlinien trägt auch der Personalrat große Verantwortung, denn die Einführung der Richtlinien unterliegt der Mitbestimmung.
Das Bundesverwaltungsgericht äußerte sich im Jahr 2015 schließlich wie folgt zu dem Laufbahnverlaufsmodell der Polizei Hamburg, also der in Hamburg seinerzeit eingeführten Beförderungsrichtlinie:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.03.15 - 2 C 12.14 -
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2. Die Nichteinbeziehung der Klägerin in das Auswahlverfahren 2008 wegen einer fehlenden Verweildauer von mindestens sieben Jahren im Statusamt einer Polizeikommissarin war mit Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG und § 7 Abs. 1 des Hamburgischen Beamtengesetzes nicht vereinbar.
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Art. 33 Abs. 2 GG sowie die einfach-rechtlichen Konkretisierungen in den Beamtengesetzen gewährleisten jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauswahl ist demnach von der Verfassung verbindlich und vorbehaltlos vorgeschrieben. Andere Kriterien können bei der Vergabe öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn sie ebenfalls Verfassungsrang haben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.07 - 2 BvR 2457/04 - BVerfGK 12, 265 <268>). Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 20.06.13 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 19 f.).
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Die in einem bestimmten Statusamt geleistete Dienstzeit gehört nicht zu den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien. Zwar kann sich das Dienstalter auf die Beurteilung von leistungsbezogenen Gesichtspunkten auswirken, weil sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung häufig leistungsfördernd niederschlagen wird. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter stets auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen grundsätzlich nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar (BVerwG, Urteil vom 28.10.04 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151>).
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An das Dienstalter anknüpfende Wartezeitregelungen stehen daher nur dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Grundsatzes der Bestenauswahl dienen und mit ihnen die praktische Bewährung des Bewerbers im bisherigen Statusamt festgestellt werden soll. Dieser Zweck, die zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen, setzt dem zeitlichen Umfang solcher "Bewährungszeiten" Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um die tatsächlichen Grundlagen für eine Beurteilung und Prognose zu schaffen. Danach hängt die Dauer von Wartezeiten entscheidend vom Inhalt der jeweiligen Ämter ab. Der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum wird in aller Regel die Obergrenze darstellen (BVerwG, Urteil vom 28.10.04 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <152>; Beschluss vom 25.10.11 - 2 VR 4.11 - NVwZ-RR 2012, 241 Rn. 35; Urteil vom 26.09.12 - 2 C 74.10 - BVerwGE 144, 186 Rn. 23; vgl. auch die Vorgabe von zwei Jahren bei der Erprobung für Führungsämter in BVerfG, Beschluss vom 28.05.08 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <228>).
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Diesen Vorgaben entspricht die in § 7 Abs. 2 i.V.m. § 11 der Richtlinie zu einem funktions- und leistungsorientierten Laufbahnverlaufsmodell für die Laufbahnabschnitte I und II des Polizeivollzugsdienstes in Hamburg (- LVM-RL -) vorgeschriebene Regelverweilzeit für die Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 von sieben Jahren nicht (ebenso bereits OVG Hamburg, Beschluss vom 17.02.10 - 1 Bs 241/09 - ZBR 2010, 265 Rn. 16 ff.). Sie überschreitet die für die Regelbeurteilung vorgesehene Zeit von vier Jahren erheblich.
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2. Die Nichteinbeziehung der Klägerin in das Auswahlverfahren 2008 wegen einer fehlenden Verweildauer von mindestens sieben Jahren im Statusamt einer Polizeikommissarin war mit Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG und § 7 Abs. 1 des Hamburgischen Beamtengesetzes nicht vereinbar.
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Art. 33 Abs. 2 GG sowie die einfach-rechtlichen Konkretisierungen in den Beamtengesetzen gewährleisten jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauswahl ist demnach von der Verfassung verbindlich und vorbehaltlos vorgeschrieben. Andere Kriterien können bei der Vergabe öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn sie ebenfalls Verfassungsrang haben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.07 - 2 BvR 2457/04 - BVerfGK 12, 265 <268>). Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 20.06.13 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 19 f.).
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Die in einem bestimmten Statusamt geleistete Dienstzeit gehört nicht zu den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien. Zwar kann sich das Dienstalter auf die Beurteilung von leistungsbezogenen Gesichtspunkten auswirken, weil sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung häufig leistungsfördernd niederschlagen wird. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter stets auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen grundsätzlich nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar (BVerwG, Urteil vom 28.10.04 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151>).
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An das Dienstalter anknüpfende Wartezeitregelungen stehen daher nur dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn sie der sachgerechten Anwendung des Grundsatzes der Bestenauswahl dienen und mit ihnen die praktische Bewährung des Bewerbers im bisherigen Statusamt festgestellt werden soll. Dieser Zweck, die zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu ermöglichen, setzt dem zeitlichen Umfang solcher "Bewährungszeiten" Grenzen. Sie dürfen nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um die tatsächlichen Grundlagen für eine Beurteilung und Prognose zu schaffen. Danach hängt die Dauer von Wartezeiten entscheidend vom Inhalt der jeweiligen Ämter ab. Der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum wird in aller Regel die Obergrenze darstellen (BVerwG, Urteil vom 28.10.04 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <152>; Beschluss vom 25.10.11 - 2 VR 4.11 - NVwZ-RR 2012, 241 Rn. 35; Urteil vom 26.09.12 - 2 C 74.10 - BVerwGE 144, 186 Rn. 23; vgl. auch die Vorgabe von zwei Jahren bei der Erprobung für Führungsämter in BVerfG, Beschluss vom 28.05.08 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <228>).
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Diesen Vorgaben entspricht die in § 7 Abs. 2 i.V.m. § 11 der Richtlinie zu einem funktions- und leistungsorientierten Laufbahnverlaufsmodell für die Laufbahnabschnitte I und II des Polizeivollzugsdienstes in Hamburg (- LVM-RL -) vorgeschriebene Regelverweilzeit für die Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 von sieben Jahren nicht (ebenso bereits OVG Hamburg, Beschluss vom 17.02.10 - 1 Bs 241/09 - ZBR 2010, 265 Rn. 16 ff.). Sie überschreitet die für die Regelbeurteilung vorgesehene Zeit von vier Jahren erheblich.