Beförderungsauswahl / Anforderungsprofil in der Stellenausschreibung
Das Anforderungsprofil für die zu vergebende Stelle legt der Dienstherr fest
und verschriftlicht es dann in der Ausschreibung.
Hier kann ein Ansatzpunkt für Kritik liegen, insbesondere wenn die Anforderungen
zu sehr auf eine konkrete Funktion (und nicht generell auf das Statusamt)
zugeschnitten sind und damit der Bewerberkreis eingeengt wird, weil sich
diejenigen nicht bewerben, die einzelne Anforderungen nicht erfüllen.
Bewerben sie sich doch, werden sie zu Unrecht abgelehnt.
Die Ausschreibung von Beförderungsstellen soll grundsätzlich auf das Statusamt bezogen sein.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.07.20 - 2 VR 3.20 -
RN 18
Da Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG
nicht der konkrete Dienstposten, sondern das angestrebte Statusamt ist, darf
die Auswahl für die Vergabe eines förderlichen Dienstpostens grundsätzlich
nicht anhand der Anforderungen dieses konkret-funktionellen Amts vorgenommen
werden.
Eine Ausnahme hiervon ist nur anzuerkennen, wenn die Wahrnehmung der
Aufgaben des Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten
voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und die er
sich in angemessener Zeit und ohne zumutbare Beeinträchtigung der
Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (BVerwG, Beschluss vom
20.06.13 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 31 m.w.N.). ...
Die Meinung, es sei von entscheidender Bedeutung, welcher Bewerber die
Anforderungen eines ganz konkreten Dienstpostens am besten zu erfüllen
verspreche, entspricht nicht mehr der heute herrschenden Auffassung.
Derzeit geht man davon aus, dass ein Beamter grundsätzlich in der Lage sein sollte, sämtliche Funktionen auszufüllen, die
(in seiner Laufbahn) seinem Statusamt zugeordnet sind.
Der einzelne Beamte ist danach in jeder seinem
Statusamt entsprechenden Funktion seiner Laufbahn einsetzbar, zumindest soll er
sich in angemessener Zeit in neue Aufgaben einarbeiten können.
Folgt man dieser
Vorstellung / Zielsetzung, so gilt für Beförderungsentscheidungen, dass in der Regel nicht Spezialkenntnisse ausschlaggebend sein können,
sondern die generelle Eignung für das angestrebte (höhere) Statusamt mit seinen unterschiedlichen Aufgaben.
(Anmerkung: Auch dienstliche Beurteilungen sollen sich auf die Anforderungen
des Statusamtes beziehen, nicht hingegen auf die Anforderungen des konkreten,
von dem Beamten wahrgenommenen
Dienstpostens. Das hamburgische Landesrecht hat da gewisse Probleme.)
Man fragt also im Regelfall nicht, welche ganz speziellen Fähigkeiten für den angestrebten Job erforderlich sind,
und wählt nicht nach Spezialkenntnissen aus.
Sondern man orientiert sich daran, welchem Statusamt die Stelle zugeordnet ist, und
unterstellt, dass jeder Beamte, der den Anforderungen aller
seinem Statusamt zugeordneten Funktionen gewachsen ist, sich auch in jede
höherwertige Funktion einarbeiten kann.
Dieses Prinzip der
Statusamtsbezogenheit wird bisweilen kritisiert, die von dem
Bundesverwaltungsgericht erwähnte Entscheidung vom 20.06.13 wird bisweilen
als "verfehlt" bezeichnet (vgl. Dr. Eberhard Baden in PersV 2018, 168).
Herr Dr. Baden spitzt seine Auffassung in ZBR 2023, 14 ff. noch zu und
bezeichnet dort die Position des Bundesverwaltungsgerichts als "unbegründet
und kontraproduktiv". [Dr. Eberhard Baden, "Eignung nach Statusamt? - Ein
grundlegendes Missverständnis des Bundesverwaltungsgerichts", ZBR 2023, 14
ff.]
Durchsetzen wird sich in der Praxis auf absehbare Zeit eher die
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts.
Aber wie bei jedem Grundsatz sind zumindest Ausnahmen bzw. Ausnahmefälle
denkbar.
Unabdingbare (konstitutive) und weitere Anforderungen an Bewerber für ein
Beförderungsamt
In der Ausschreibung wird mitgeteilt, welche
Eignungskriterien dem
Dienstherrn bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle
unabdingbar (konstitutiv)
und welche ihm (nur)
wichtig für die Auswahl erscheinen. Dabei hat der Dienstherr aber nicht völlig freie Hand.
Das Anforderungsprofil muss rechtmäßig festgelegt werden. Das wird im Streitfall überprüft.
Die Bedeutung dieses Prüfpunktes ergibt sich daraus, dass das in einer
Ausschreibung festgelegte Anforderungsprofil entscheidende Bedeutung für
Erfolg oder Misserfolg der Bewerbung eines Beamten um die
Beförderungsplanstelle haben kann.
Bisweilen schneidet ein Dienstherr das Anforderungsprofil sogar so eng zu,
dass man meinen könnte, er könne gleich den Namen desjenigen
Beamten mit in die Ausschreibung aufnehmen, den er auswählen wolle (bzw.
insgeheim schon ausgewählt habe).
Solch - bisweilen wahrhaft skrupelloses - Vorgehen hat die Rechtsprechung lange Zeit unter Hinweis auf das organisatorische
Ermessen des Dienstherrn recht unkritisch akzeptiert, bis das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 08.10.07 darauf hingewiesen hat, dass für die
Bestimmung des Anforderungsprofils einer Stelle nur sachliche, d.h. an Art 33 II
GG orientierte Erwägungen maßgeblich sein dürfen
und das Auswahlverfahren fair zu gestalten ist.
Immer wieder zitiert: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.10.07 - 2 BvR 1846/07 -
Um Einzelheiten gibt es endlosen Streit.
Welche Kriterien sind zulässig und sachgerecht?
Wie konkret darf das Anforderungsprofil im Einzelfall gefasst werden?
Um der Lösung näher zu kommen, müssen wir eine oben erwähnte Unterscheidung noch
einmal aufgreifen.
Rechtmäßige konstitutive Auswahlkriterien müssen die Bewerber unbedingt erfüllen.
Wer ein solches Kriterium nicht erfüllt, scheidet aus dem Auswahlverfahren aus.
Im Einzelfall kann darüber gestritten werden, ob das Ausschlusskriterium zu
Recht in die Ausschreibung aufgenommen wurde.
Ein Beispiel dafür, dass die Entscheidung nicht immer leicht ist, bietet ein Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom
29.01.18 - OVG 4 S 41/17 - mit dem folgenden Leitsatz in ZBR 2018, 889 ff.:
"1. Die Beförderung zum Generalstaatsanwalt setzt nicht notwendig staatsanwaltliche Berufserfahrung voraus."
Sind in der Ausschreibung zu Recht
zwingende (auch
konstitutive genannt)
Qualifikationsanforderungen enthalten, so haben diese Vorrang vor der auf eine
dienstliche Beurteilung gestützten Eignungsprognose.
Erfüllt ein Bewerber
auch nur eines der (zulässigen) zwingenden Qualifikationsmerkmale nicht, so bleibt seine
Bewerbung unberücksichtigt, unabhängig davon, wie er beurteilt worden ist.
Nur wenn mehrere Bewerber allen konstitutiven Anforderungskriterien gerecht werden, haben
Abstufungen der Qualifikation Bedeutung, die in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesen werden.
Der VGH Baden-Württemberg formuliert in einem Beschluss vom 07.12.10, 4 S 2057/10:
aa) Die Nichterfüllung eines (zulässigerweise aufgestellten) so genannten
konstitutiven Anforderungsprofils durch einen Bewerber gebietet dem
Dienstherrn, diesen bei der Auswahlentscheidung unberücksichtigt zu lassen.
Als „konstitutiv“ einzustufen sind dabei diejenigen Merkmale des
Anforderungsprofils, die zwingend vorgegeben und anhand objektiv
überprüfbarer Kriterien, also insbesondere ohne gebotene Rücksichtnahme auf
Wertungsspielräume des Dienstherrn, als tatsächlich gegeben letztlich
eindeutig und unschwer festzustellen sind.
Demgegenüber kennzeichnet das „beschreibende“, nicht konstitutive
Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich
nicht zwingend vorliegen müssen oder die schon von ihrer Art her nicht
allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten - bejahend oder verneinend -
festgestellt werden können.
Bei Letzteren geht es um Merkmale, die sich erst
auf der Grundlage eines persönlichkeitsbedingten, das betreffende Element
des Eignungs- und Befähigungsprofils näher in den Blick nehmenden
Werturteils erschließen. Derartige Merkmale, die einen Wertungsspielraum
eröffnen und über die der Dienstherr - in der Regel in einer dienstlichen
Beurteilung oder vergleichbaren Stellungnahme - zunächst eine nähere
Einschätzung treffen muss, können in einem Stellenbesetzungsverfahren erst
dann Bedeutung erlangen, wenn der Bewerber das (zulässigerweise
aufgestellte) konstitutive Anforderungsprofil erfüllt und deshalb zur
näheren Überprüfung bzw. vergleichenden Würdigung seiner im Übrigen
vorliegenden Eignung in das weitere Auswahlverfahren einzubeziehen ist.
Ob ein Bewerber das konstitutive Anforderungsprofil erfüllt, unterliegt
vollständig der gerichtlichen Kontrolle (...).
Die Abgrenzung zwischen dem konstitutiven und dem beschreibenden Teil des
Anforderungsprofils ist eine Frage der Auslegung, die entsprechend § 133 BGB
nach dem objektiven Erklärungsinhalt und dem Willen des Erklärenden zu
erfolgen hat (...).
Dabei erweisen sich
diejenigen Anforderungen als konstitutiv, deren Vorliegen anhand objektiv
überprüfbarer Fakten eindeutig festgestellt werden kann und die deshalb im
Falle ihrer Nichterfüllung einen vernünftigen potentiellen Bewerber davon
abhalten, um die Stelle oder Funktion zu konkurrieren. Lässt die
Formulierung einer Anforderung hingegen einem potentiellen Bewerber auch bei
ihrer Nichterfüllung noch Aussicht auf Erfolg, erweist sich diese
Anforderung nicht als konstitutiv.
bb) Jedenfalls nicht zum konstitutiven Anforderungsprofil gehören danach
die
vorausgesetzte Fähigkeit zum methodischen, analytischen und konzeptionellen
Arbeiten,
die hohe soziale Kompetenz,
die Teamfähigkeit und
die
Kooperationsbereitschaft und
die erwarteten fundierten Kenntnisse im Bereich
der polizeilichen Datenverarbeitung.
Denn das Vorliegen dieser Kriterien
lässt sich schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv
überprüfbarer Fakten - bejahend oder verneinend - feststellen. Vielmehr
bedarf es dazu einer beurteilenden Wertung des Dienstherrn.
In der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg ist der weitere gedankliche Weg vorgezeichnet:
Die Ausschreibung enthält oft auch nicht konstitutive, nur beschreibende Anforderungen.
Anhand dieser Kriterien erfolgt in einem zweiten Schritt die Auswahl nur noch unter den Bewebern, welche die konstitutiven Anforderungen erfüllen.
Das Bundesverwaltungsgericht erläutert dazu:
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.06.20 - BVerwG 1 WB 77.19 -
Konkurrentenstreit zwischen gleich leistungsstarken Bewerbern
Leitsätze:
1. Auch Kriterien,
die im Anforderungsprofil für die Besetzung eines militärischen
Dienstpostens nur als "erwünscht" oder "wünschenswert" bezeichnet sind,
haben eine das Auswahlverfahren steuernde Bedeutung.
2. Es bedarf
triftiger Gründe, wenn beim Vergleich zwischen zwei grundsätzlich geeigneten
und gleich leistungsstarken Kandidaten der Bewerber, der ein oder ggf.
mehrere "erwünschte" oder "wünschenswerte" Kriterien erfüllt, übergangen und
stattdessen ein Bewerber ausgewählt werden soll, der nicht über die
"erwünschten" oder "wünschenswerten" Qualifikationen verfügt.
Es ist danach Voraussetzung, dass die Bewerber ansonsten - gemessen an den ihnen
erteilten Beurteilungen - "gleich leistungsstark" sind, was zunächst
anhand eines Vergleichs der Beurteilungen zu erwägen ist.
Zeigen sich
dann noch keine Leistungsunterschiede, sollen wünschenswerte Kriterien den
Ausschlag geben.
Beispiele zur Frage der Rechtmäßigkeit von Ausschlusskriterien in Anforderungsprofilen
(Auch) In diesem Bereich ist unsere Seite zur Zeit ein wenig ungeordnet. Wir arbeiten daran, die Informationen neu zu sortieren.
Die nachfolgenden Entscheidungen befassen sich mit der Frage, welche konstitutiven Kriterien - also Ausschlusskriterien - zulässig sind.
Besondere Berufserfahrung bei bestimmter Dienststelle erforderlich?
Erfahrungen im Voramt (A 12) bei Bewerbung um A13-Stelle unbedingt notwendig?
Kann eine bestimmte Mindest-Verwendungsbreite gefordert werden?
Führungserfahrung oder Führungseignung als konstitutives Merkmal in einer Ausschreibung?
Dürfen "umfassende Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht ..." gefordert werden?
OVG NRW, Beschluss vom 13.05.19 - 6 B 1753/18 - Kenntnisse im Abgaben- und Gebührenrecht?
Beschluss des Hessischen VGH vom 11.04.14 - 1 B 1913/13 - spezielle Kenntnisse im Luftsicherheitsrecht
Dürfen Kenntnisse und Erfahrungen im Völkerrecht gefordert werden?
EDV-Kenntnisse unabdingbar?
BVerwG - nur mit Doktortitel?
VG Berlin, Beschluss vom 11.10.17 - 28 L 628.17 - Darf Befähigung zum Richteramt gefordert werden?
NdsOVG - Landeskinderklausel (Bewerber nur aus Niedersachsen) zulässig?
NdsOVG 06.02.17 - Beförderungsauswahl bei Polizei regional beschränkt zulässig?
Bewerber nur aus einem Landgerichtsbezirk des Bundeslandes?
Falls es dem Dienstherrn gelingt, ein Anforderungsprofil rechtmäßig festzulegen ...
... bleibt er an das festgelegte Anforderungsprofil während der Ausschreibung bzw. während des Auswahlverfahrens gebunden.
Dies haben die Gerichte - auch das Bundesverwaltungsgericht - wiederholt entschieden.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.08.01 - 2 A 3 / 00 -
An den festgelegten Eignungskriterien muss der Dienstherr die Eignung der Bewerber im weiteren Verfahren messen.
Weitere Fragen aus dem Bereich Beförderungsauswahl / Konkurrentenschutz