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Konkurrentenschutz - rechtswidrige Vergabe der Stelle während gerichtlichen Eilverfahrens

Die Zweiwochenfrist, die der Dienstherr abzuwarten hat, und das gerichtliche Eilverfahren im Konkurrentenstreit sollen die sachgerechte Überprüfung der Sach- und Rechtslage ermöglichen und damit den Bewerbungsverfahrensanspruch jedes Bewerbers sichern.
Die Beförderung des zu Unrecht ausgewählten Konkurrenten soll dem Dienstherrn verboten werden.
Diese Sperrwirkung erstreckt sich nach wohl überwiegender Meinung auf das Verbot der Umsetzung des ausgewählten Bewerbers auf die Stelle. Allerdings gibt es hier - in seltenen Fällen - heftigen Streit.

Was kann getan werden, wenn der Dienstherr die Stelle ohne Rücksicht auf das gerichtliche Verfahren oder gar schon vor Ablauf der Wartefrist von zwei Wochen vergibt und sogar den abgelehnten Bewerber oder einen Dritten befördert?

Der übergangene Bewerber wird Schadensersatz geltend machen wollen.
In diesem Zusammenhang wird er auch die rechtswidrig erfolgte Beförderung angreifen.

Wir haben das bereits praktiziert. Es ist ein langer Weg, die Konstellation ist unerfreulich.
Ein (neues) Eilverfahren kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, vielmehr ist eine Anfechtungsklage zu erheben.
Ein Beispiel aus Sachsen-Anhalt macht das deutlich.

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.09.21 - 1 M 58/21  -

Kein Rechtsschutz nach § 123 VwGO, wenn eine Planstelle mit einem Dritten rechtswidrig besetzt wurde, die im Rahmen eines Eilverfahrens um Fortführung eines Stellenbesetzungsverfahrens seitens der Behörde zunächst freigehalten worden war.

Leitsatz
Hat der Dienstherr durch eine inzwischen vollzogene Ernennung eines anderen Beamten auf einer zunächst freigehaltenen Planstelle den Anforderungen der Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG widersprechend verhindert, dass ein Beamter effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seines  Bewerbungsverfahrens­anspruchs in einem Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Fortführung eines abgebrochenen Beförderungsverfahrens in Anspruch nehmen konnte, kann der übergangene Bewerber gerichtlichen Rechtsschutz nur im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden.

Verfahrensgang
vorgehend VG Magdeburg, 19.07.21, 5 B 346/19 MD, Beschluss


Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichte Magdeburg vom 19. 07.21 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 35.000,00 € festgesetzt.


Gründe
1 1. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 19.07.21, ..., hat keinen Erfolg.
2 Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 05.01.07 - 1 M 1/07 - [m. w. N.]).
3 Hiervon ausgehend rechtfertigt das Beschwerdevorbringen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Ergebnis nicht. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist zwar entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes nicht infolge der Ernennung eines anderen Beamten auf der streitgegenständlichen Planstelle untergegangen.
Denn die Antragsgegnerin hat durch die inzwischen vollzogene Ernennung eines anderen Beamten auf dieser Planstelle den Anforderungen der Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG widersprechend verhindert, dass der Antragsteller effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs in Anspruch nehmen konnte. Eine solche Verhinderung effektiven Rechtsschutzes durch den Dienstherrn hat zur Folge, dass die grundrechtswidrig vorgenommene Ernennung nicht nach dem Grundsatz der Ämterstabilität rechtsbeständig ist (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 22.11.12 - 2 VR 5.12 -, Rn. 17).
4 Entgegen der Annahme der Beschwerde hat dies jedoch nicht zur Folge, dass der Antragsteller seinen Bewerbungsverfahrensanspruch - weiterhin - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO geltend machen kann.
Da der Bewerbungsverfahrensanspruch durch eine verfassungsrechtwidrige Ernennung nicht untergeht, ist er im Wege der Anfechtungsklage mit dem Rechtsschutzziel ihrer Aufhebung gerichtlich weiter zu verfolgen (BVerwG, a. a. O.). Nach der Ernennung Dritter kann der übergangene Bewerber gerichtlichen Rechtsschutz nur im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden. Eine andere Möglichkeit zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruches besteht nicht
(so ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 04.11.10 - 2 C 16.09 -, Rn. 36 f., 39).
Anders als die Beschwerde annimmt, kommt es dabei nicht darauf an, ob das Eilverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO unmittelbar auf eine erneute Auswahlentscheidung oder lediglich mittelbar auf eine solche gerichtet ist, weil das vormalige Stellenbesetzungsverfahren - wie hier begehrt - überhaupt fortgeführt werden soll, weil beides gleichermaßen auf die Durchsetzung des weiter bestehenden Bewerbungsverfahrensanspruches gerichtet ist (vgl. hierzu: OVG LSA, Beschluss vom 22.06.20 - 1 M 77/20 -, juris Rn. 6 [m. w. N.]) und mit der erfolgten Ernennung eines anderen Beamten auf der diesbezüglichen Planstelle das Verhinderungsund Sicherungsziel des § 123 Abs. 1 VwGO nicht mehr erreicht werden kann. Die „Schaffung einer neuen Planstelle“ ist - entgegen der Annahme der Beschwerde - nicht Gegenstand eines auf eine konkrete (Plan-)Stelle bezogenen Stellenbesetzungsverfahrens. Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Auswahlgrundsätze sind auf eine Auswahlentscheidung bezogen. Dementsprechend ist der Bewerbungsverfahrensanspruch auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren gerichtet (siehe: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 -, juris Rn. 16 [m. w. N.]; OVG LSA, Beschluss vom 04.07.17 - 1 M 70/17 -, juris Rn. 6).
5 Entgegen dem Beschwerdevorbringen unterliegt es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung zum Verbrauch der streitgegenständlichen Planstelle(n) auf die dienstliche „eidesstattliche Versicherung“ eines Beamten der Antragsgegnerin vom 14.06.21 (Bl. 89 der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichtes) gestützt hat. § 86 Abs. 1 VwGO gibt dem Verwaltungsgericht eine bestimmte Form der Sachverhaltserforschung nicht vor. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin auch nicht die Vorlage von Vermerken pp. auferlegt, so dass § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO im gegebenen Fall schon nicht zum Tragen kommt (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 15.08.17 - 4 BN 32.16 -, juris Rn. 18 [m. w. N.]; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage, § 99 Rn. 5]), sondern hat ausweislich der der Beschwerdebegründungsschrift beigefügten Verfügung vom 10.06.21 alternativ die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung eröffnet. Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen ist diese Erklärung auch hinreichend aussagekräftig, denn darin erklärt der befasste Beamte ausdrücklich, dass „in der Beförderungsrunde 2020 … alle damals zur Verfügung stehenden A 12-Planstellen (einschließlich der zunächst für den Antragsteller freigehaltenen Planstelle) für Beförderungen genutzt“ worden seien und „keine weitere freie Planstelle der Besoldungsgruppe A 12“ verblieben sei. Dass Zweifel an der sachlichen Richtigkeit dieser Erklärung bestehen und worin diese begründet liegen sollen, hat der Antragsteller weder erstinstanzlich noch mit seinem jetzigen Beschwerdevorbringen plausibel gemacht.
6 ...
7 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
8 3. Die Entscheidung über die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 47, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG (vgl.: OVG LSA, Beschluss vom 21.05.21 - 1 M 33/21 -, juris Rn. 13 [m. w. N.]). Insofern war hier für das Beschwerdeverfahren die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO (hier: 8. Erfahrungsstufe) zu zahlenden Bezüge im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung (5.228,18 € monatlich) zugrunde zu legen. Der sich danach ergebende Betrag war nicht im Hinblick auf ein bloßes Neubescheidungsbegehren zu halbieren.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz Konkurrentenschutz A - Z
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter Bewerbern Konkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Beförderungsplanstelle Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Leistungsprinzip Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Überprüfung ist eilig Widerspruch und/oder Klage
Eilverfahren Eilverfahren im Beförderungsstreit Eilverfahren 2 Eilverfahren 3 Gerichtliche Zuständigkeit BVerfG - 2 BvR 1586/07 - BVerfG - 2 BvR 1846/07 - BVerfG - 2 BvR 706/09 Zum Anordnungsgrund BVerwG 10.05.16 - 2 VR 2.15 BVerwG 21.12.16 - 2 VR 1.16 - Sehr klar: VG Schleswig 12.09.19 VGH BW 27.07.16 OVG Lüneburg 03.01.17 OVG BB 05.01.17 VGH München 09.01.17 VGH Kassel 28.04.17 VG Wiesbaden 20.03.17 OVG Rh-Pf 05.05.17 Beteiligter im Eilverfahren Der / die Beigeladene
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