Konkurrentenschutz / Rechtsprechung / Abbruch des Auswahlverfahrens
Die nachstehende Entscheidung befasst sich mit dem Abbruch eines Auswahlverfahrens, bei dem der eigentlich ausgewählte Bewerber vom Personalrat abgelehnt wurde, wenn so formuliert werden darf.
Es geht im Detail um verzwickte landesgesetzliche Regelungen des Personalvertretungsrechts, im Grundsätzlicheren aber um die Zulässigkeit des Abbruchs eines Auswahlverfahrens und die möglichen Rechtsbehelfe dagegen.
Verwaltungsgericht Kassel, Beschluss vom 16.08.16, - 1 L 455/16.KS -
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren fortzusetzen.
Gründe
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Der von dem Antragsteller gestellte Antrag,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das abgebrochene Auswahlverfahren zur Zulassung eines von zwei Beamten für den Aufstieg vom gehobenen in den höheren feuerwehrtechnischen Dienst gemäß Ausschreibung vom ... fortzuführen und über die Bewerbung des Antragstellers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden,
ist zur Sicherung der Rechte des Antragstellers statthaft und hat in der Sache Erfolg.
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...
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Vorliegend hat der Antragsgegner mit interner Ausschreibung vom 16. Oktober 2015 (Bl. 10 f der Gerichtsakte) zwei Stellen für den Aufstieg vom gehobenen in den höheren feuerwehrtechnischen Dienst ausgeschrieben, auf die sich insgesamt acht Personen beworben haben. Mit Schreiben vom 3.03.16 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass Herr X. für eine der beiden Stellen ausgewählt worden sei, und mit weiterem Schreiben vom gleichen Tage teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass das Auswahlverfahren für die zweite Stelle abgebrochen worden sei, da Personalrat und Frauenbeauftragte die Zustimmung verweigert hätten.
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Wie sich aus dem in den Behördenakten befindlichen Auswahlvermerk (Bl. 217 ff der Behördenakte) ergibt, war beabsichtigt, den Antragsteller als zweiten Bewerber zum Aufstieg zuzulassen. Diesem Vorgehen haben jedoch die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte mit Schreiben vom 20.01.16 (Bl. 245 der Behördenakte) und der Personalrat mit Schreiben vom 26.01.16 widersprochen. Der Personalrat hat seine Entscheidung mit Schreiben vom 1.02.16 näher begründet.
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Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Beamter gegen den Abbruch eines Auswahlverfahrens gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, hat der Hess. VGH in seinem Beschluss vom 4.04.16 (- 1 B 2118/15 -) wie folgt ausgeführt:
"Grundsätzlich kann sich der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch auch für den Fall des Abbruchs eines Auswahlverfahrens aus dem aus Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch eines Bewerbers geben. Auch die Entscheidung des Dienstherrn, ein Auswahlverfahren abzubrechen, muss sich an dem Anspruch auf faire, chancengleiche Behandlung bei fehlerfreier Ermessensausübung messen lassen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 15. Mai 1992 -1 TG 2485/91-, juris Rdnr 3). Der Dienstherr hat dabei, wie dies auch sonst in Konkurrentenverfahren unerlässlich ist, die wesentlichen Gründe für den Abbruch des Verfahrens schriftlich niederzulegen, um dem Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nachzukommen (Hess. VGH, Beschluss vom 15. Mai 1992, a.a.O.). In der Sache ist eine Entscheidung über den Abbruch eines Auswahlverfahrens jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn für den Abbruch ein sachlicher Grund vorliegt (BVerwG, Urteil vom 25. April 1996-2 C 21/95 -, juris Rdnr. 22 und Urteil vom 22. Juli 1999-2 C 14/98 -, juris Rdnr. 26). Dies gilt insbesondere in Ansehung des Umstandes, dass mit jedem Abbruch und der Neuausschreibung einer Stelle die Bewerbersituation verändert werden kann (BVerfG, Beschluss vom 28.04.05 - 1 BvR 2231/02 -, juris Rdnr. 49). Allerdings kommt dem Dienstherrn bei der Entscheidung über den Abbruch eines Auswahlverfahrens ein weites organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen zu (BVerwG, Urteil vom 25. April 1996-2 C 21/95 -, juris Rdnr. 21)."
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Dieser Rechtsauffassung schließt sich die erkennende Kammer an.
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In formeller Hinsicht muss der Abbruch des Besetzungsverfahrens mit den wesentlichen Gründen in den Akten dokumentiert sein, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, und es müssen die Bewerber über den Abbruch des Verfahrens in Kenntnis gesetzt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.05.16 - 2 VR 2/15 -; Urteile vom 26.01.12 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 27 f. und vom 29.11.12 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 19 f.)
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Die Voraussetzungen für einen Abbruch des Auswahlverfahrens liegen nicht vor.
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In formaler Hinsicht wurde den dargestellten Anforderungen an den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens Rechnung getragen. Die Bewerber wurden mit Schreiben vom 3.03.16 über den Abbruch des Besetzungsverfahrens informiert. Dieses Schreiben enthielt auch eine Begründung, sodass es eines separaten Vermerks über die Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht bedurfte.
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Die von dem Antragsgegner getroffene Entscheidung erweist sich jedoch materiell als rechtswidrig, da kein sachlicher Grund vorliegt, der einen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens möglich machen würde.
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Nach der Rechtsprechung (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 02.09.08 - 5 A 30/08 -, juris; VG Frankfurt, Urteil vom 13.09.04 - 9 E 989/04 -, Rn. 9, juris) kann ein Auswahlverfahren zur Besetzung eines Dienstpostens auch dann abgebrochen werden, wenn der zuständige Personalrat die Zustimmung zu der Auswahlentscheidung aus sachlich nicht zu beanstandenden Gründen verweigert, wobei in einem solchen Fall der Dienstherr alles Erforderliche tun muss, um eine Einigung mit dem Personalrat zu erreichen.
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Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an. Jedoch liegen die Voraussetzungen, unter denen hiernach ein Abbruch des Auswahlverfahrens zulässig ist, nicht vor.
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Zunächst muss die Personalmaßnahme überhaupt der Mitbestimmung unterliegen. Dies ist hier der Fall.
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Wie die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers zutreffend ausgeführt hat, war eine Mitbestimmung des Personalrats nicht gem. § 77 Abs. 1 Nr. 1b HPVG erforderlich, da Gegenstand des Auswahlverfahrens nicht ein Laufbahnwechsel war, sondern vielmehr die Zulassung zum Aufstieg. Eine Mitbestimmung nach § 77 Abs. 1 Nr. 1b HPVG setzt bei einem Aufstieg (Laufbahngruppenwechsel) erst dann ein, wenn nach bestandener Laufbahnprüfung die Ernennung erfolgen soll. Die Zulassung zur Ausbildung und Prüfung i.S.d. § 12 der Hessischen Feuerwehrlaufbahnverordnung (Verordnung vom 4. Juni 2015, GVBl. S. 246, im Folgenden: HFeuerwLV) ist der Ernennung vorgelagert und fällt demzufolge nicht unter § 77 Abs. 1 Nr. 1b HPVG.
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Die hier streitige Auswahlentscheidung erfüllt jedoch den Mitbestimmungstatbestand des § 77 Abs. 1 Nr. 1c HPVG, da es sich um eine Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit handelt. Wie sich aus § 12 Abs. 2 HFeuerwLV ergibt, ist im Falle eines Aufstiegs vom gehobenen zum höheren Dienst eine Einführungszeit vorgesehen, während derer der Beamte bereits Aufgaben des höheren Dienstes übernehmen soll. Inhalt und Umfang der Einführungszeit ergeben sich aus § 28 Abs. 5 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des höheren feuerwehrtechnischen Dienstes im Lande Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. S. 166, in Kraft getreten am 26.03.10; geändert durch Artikel 5 der VO vom 27. Juni 2014 (GV. NRW. S. 376), in Kraft getreten am 12. Juli 2014; Verordnung vom 27.01.16 (GV. NRW. S. 34), in Kraft getreten mit Wirkung vom 1.01.16), auf die § 12 Abs. 2 HFeuerwLV verweist. Die dort in Bezug genommene Anlage 1 macht deutlich, dass der Betreffende während der Einführungszeit auch bereits mit Aufgaben des höheren Dienstes betraut werden soll, so z.B. als Einsatzleiter, in der Ausbildung, bei dem Erstellen von Einsatz- und Planübungen sowie im Bereich der Personalführung. Hieraus wird deutlich, dass höherwertige Aufgaben übertragen werden, so dass der Mitbestimmungstatbestand des § 77 Abs. 1 Nr. 1c HPVG, der auch im Falle eines prüfungsgebundenen Aufstiegs eingreift, gegeben ist.
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Auch liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung des örtlichen Personalrats vor. Vorliegend hat der Personalrat ausweislich des Begründungsschreibens vom 1.02.16 (Bl. 249 der Behördenakte) seine Zustimmung deshalb verweigert, weil seiner Auffassung nach die dienstliche Beurteilung des Antragstellers an Rechtsfehlern leide und gem. § 77 Abs. 4 Nr. 2 HPVG deshalb die durch Tatsachen begründete Besorgnis bestehe, dass durch die Maßnahme der betroffene Beschäftigte oder andere Beschäftigte benachteiligt würden, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sei. Mit dieser Begründung hat sich der Personalrat innerhalb der Grenzen des genannten Mitbestimmungstatbestands bewegt, so dass die Verweigerung der Mitbestimmung nicht als unbeachtlich angesehen werden durfte.
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In einem Personalauswahlverfahren ist es von Seiten des Personalrats zulässig, neben der Verletzung zwingender Rechtsvorschriften (vgl. § 77 Abs. 4 Nr. 1 HPVG) auch zu rügen, dass andere Bewerber durch die Auswahlentscheidung benachteiligt werden und dies mit den allgemeinen Auswahlgrundsätzen nicht vereinbar ist. Auch hier gilt jedoch wie im Falle des § 77 Abs. 4 Nr. 1 HPVG, dass der Personalrat sein eigenes Werturteil nicht an die Stelle der Entscheidung des Dienstherrn setzen darf, sondern konkrete Rechtsverstöße rügen muss (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.15 - OVG 62 PV 12.14 -, Rn. 23, juris). Dies ist vorliegend geschehen, denn der Personalrat hat vorgetragen, dass die dienstliche Beurteilung des Antragstellers fehlerhaft sei und dieser durch eine rechtswidrige Beurteilung gegenüber den anderen Bewerbern bevorzugt worden sei. Da innerhalb eines Personalauswahlverfahrens auch Mängel einer dienstlichen Beurteilung zu prüfen sind und ggf. zu einer stattgebenden Entscheidung des Gerichts führen können (std. Rspr., vgl. z.B. Hess. VGH, Beschluss vom 27.04.09, - 1 B 501/09 -), wurde ein zu berücksichtigender Rechtsfehler von Seiten des Personalrats dargelegt, der grundsätzlich den Dienstherrn dazu berechtigt, das Auswahlverfahren abzubrechen.
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Ein Abbruch des Auswahlverfahrens war jedoch deshalb nicht zulässig, weil der Antragsgegner nicht alles Erforderliche unternommen hat, um eine Einigung mit dem Personalrat zu erzielen. Wie das VG Magdeburg (a.a.O.) überzeugend dargelegt hat, darf der Dienstherr nach einer Zustimmungsverweigerung des örtlichen Personalrats nicht sogleich das Auswahlverfahren abbrechen, sondern muss vielmehr den hierfür vorgesehenen Weg für eine gütliche Einigung beschreiten. Nach hessischem Recht ist dies das Verfahren nach § 70 HPVG, das die Anrufung der übergeordneten Dienststelle und des dort bestehenden Personalrats (hier: des Hauptpersonalrats des Innenministeriums) vorsieht. Wenn dies unterbleibt, setzt sich der Dienstherr in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten, denn es ist nicht erklärbar, wenn zunächst dem Personalrat ein Personalvorschlag unterbreitet wird, dann dieser jedoch nicht mit aller Konsequenz weiterverfolgt wird.
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Ob (ausnahmsweise) die Einleitung eines Einigungsverfahrens i.S.d. § 70 HPVG dann unterbleiben kann, wenn dieses offensichtlich keinen Erfolg verspricht, ist - soweit ersichtlich - nicht gerichtlich geklärt. Dafür spricht, dass von dem Dienstherrn nicht solche Verfahrensschritte verlangt werden können, die eine Stellenbesetzung nur verzögern, bei denen aber von vornherein abzusehen ist, dass sie nicht zum Erfolg führen.
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Die Kammer lässt diese Frage aber ausdrücklich offen, da ein solcher Fall nicht vorliegt. Der Antragsgegner bezieht sich insoweit auf ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Hauptpersonalrats, das am 17.02.16 geführt wurde. Bei diesem führte ausweislich des Aktenvermerks (Bl. 254 der Behördenakte) der Hauptpersonalratsvorsitzende Herr Y. aus, dass ein Stufenverfahren, sofern es betrieben werden würde, scheitern und zugunsten des örtlichen Personalrats verlaufen würde. Mit dieser Aussage hat der Hauptpersonalratsvorsitzende jedoch lediglich seine eigene Meinung und Einschätzung des Sachverhalts dargelegt. Diese muss jedoch nicht mit der des gesamten Hauptpersonalrats übereinstimmen, der als Kollegialorgan entscheidet.
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Hinzu kommt, dass die Begründung, die für ein Scheitern einer Einigung durch Herrn Y. angegeben wurden, aus Sicht des Gerichts wenig stichhaltig erscheint. Wenn von Seiten des Hauptpersonalratsvorsitzenden die Zustimmungsverweigerung damit begründet wird, dass der Ausschreibungstext zu weitgefasst sei, so betrifft dies, wenn ein solcher Mangel vorliegen sollte, beide Auswahlentscheidungen und nicht nur die zugunsten des Antragstellers. Konsequenterweise hätte dann auch für beide ausgewählten Bewerber die Zustimmung verweigert werden müssen. Auf die vom örtlichen Personalrat abgegebenen Gründe für die Zustimmungsverweigerung wurde nicht Bezug genommen, so dass unklar ist, ob diese vom Hauptpersonalrat bzw. dessen Vorsitzenden geteilt werden. Bei dieser Sachlage hätte es nahegelegen, den Hauptpersonalrat mit der Entscheidung im Rahmen eines Verfahrens nach § 70 HPVG zu befassen, um dort die - im Übrigen eher vagen und durch nichts belegten - Einwände des örtlichen Personalrats zu erörtern.
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Zusammenfassend liegen damit die Voraussetzungen, unter denen ein Auswahlverfahren bei Zustimmungsverweigerung des Personalrats abgebrochen werden darf, nicht vor, vielmehr hätte der Antragsgegner zunächst das Stufenverfahren einleiten müssen und erst nach dessen Scheitern das Auswahlverfahren abbrechen dürfen.
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Dass die Zustimmungsverweigerung durch die örtliche Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte den Antragsgegner nicht zum Abbruch berechtigte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Wie sich aus § 19 Abs. 3 und 4 HGlG ergibt, führt ein Widerspruch der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten lediglich dazu, dass eine erneute Befassung, dann durch die Stelle, die dem Frauen- und Gleichstellungsplan zugestimmt hat, erfolgen muss und in der Zwischenzeit der Vollzug der Maßnahme ausgesetzt werden muss.