Startseite ⁄ Beamtenrecht ⁄ Konkurrentenschutz ⁄ Abbruch der Auswahl ⁄ - VG Berlin 24.01.19 - 5 L 235.18 -

Abbruch des Auswahlverfahrens durch den Dienstherrn - Monatsfrist zur Anfechtung

Es gibt - ganz und gar unbestritten - eine Monatsfrist für die Anfechtung des Abbruchs eines Beförderungsauswahlverfahrens.
Die Frist beginnt mit dem Zugang der entsprechenden Mitteilung - das Stellenbesetzungsverfahren sei abgebrochen worden - durch den Dienstherrn. Dies gilt auch dann, wenn die Mitteilung keinerlei Begründung enthält.

Beachten Sie bitte besonders, dass als Anfechtung nicht die Erhebung eines Widerspruchs genügt, sondern dass innerhalb der Monatsfrist auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen ist.

In Randnummer 12 ist eine besondere Konstellation erwähnt, in welcher die Frist nach Meinung dieses Gerichts erst später beginnt. Aber auf das Vorliegen eines solchen Falles wird man nur in extrem seltenen Fällen setzen können,


Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 24.01.19 - 5 L 235.18 -

Leitsatz

Die richterrechtlich entwickelte Monatsfrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Abbruch eines Auswahlverfahrens wird durch die Abbruchmitteilung in Gang gesetzt, auch wenn diese die Gründe für den Abbruch nicht enthält.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1
Der Antragsteller steht als Direktor und Professor in der Besoldungsgruppe B 2 bei der B. im Dienst der Antragsgegnerin. Er bewarb sich um die im F. 2017 unter der Kennzahl 2... ausgeschriebene Stelle eines Abteilungsleiters, die mit der Besoldungsgruppe B 3 bewertet war. Die B. wählte einen anderen Bewerber für die zu besetzende Stelle aus und teilte dies dem Antragsteller mit.
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Auf Antrag des Antragstellers untersagte die Kammer der Antragsgegnerin mit - rechtskräftig gewordenem - Beschluss vom 23.03.18 (5 L 541.17) im Wege einstweiliger Anordnung, den ausgewählten Bewerber zu ernennen. Ausschlaggebend hierfür war, dass die Auswahlerwägungen der Antragsgegnerin gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstießen und die herangezogenen dienstlichen Beurteilungen rechtswidrig waren. Die Antragsgegnerin hatte jedenfalls hinsichtlich des ausgewählten Bewerbers die Anforderungen des Dienstpostens zum Maßstab erhoben, statt die seines Statusamtes zugrunde zu legen.
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Mit Blick auf den Beschluss der Kammer entschied der Präsident der B. am 13.04.18, dass das Stellenbesetzungsverfahren aufgrund seiner Verfahrensfehlerhaftigkeit abgebrochen und die Stelle nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für W. neu ausgeschrieben werde, um dann ein neues rechtskonformes Stellenbesetzungsverfahren durchzuführen.
Mit Schreiben vom 17.04.18 teilte die B. allen Bewerbern mit, dass die Stellenausschreibung aufgehoben worden sei und eine entsprechende Stellenbesetzung daher nicht erfolgen werde.

4
Der am 12.06.18 beim Verwaltungsgericht eingegangene, sinngemäße Antrag des Antragstellers,
5
die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, das durch Mitteilung vom 17.04.18 abgebrochene Auswahlverfahren zur Besetzung der zur Kennziffer 2... ausgeschriebenen Stelle als Leiter der Abteilung 3... bei der B... (Besoldungsgruppe B 3) fortzuführen,
6
ist unzulässig.
7
Der Antragsteller kann den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht mehr mit Erfolg angreifen. Er war gehalten, innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht zu stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.14 - 2 A 3.13 -, juris Rn. 24). Das hat er nicht getan. Vielmehr hat er nach Erhalt der Abbruchmitteilung vom 17.04.18 zunächst (mit Schreiben vom 08.05.18) nur Widerspruch erhoben und um Darlegung der Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens gebeten. Das im Widerspruchsschreiben angekündigte einstweilige Rechtsschutzverfahren hat er jedoch erst am 12.06.18 anhängig gemacht. Auch wenn unklar ist, wann dem Antragsteller das Schreiben vom 12.04.18 zugegangen ist, ist offenkundig, dass es ihm jedenfalls am 08.05.18 vorgelegen haben muss, der Eilantrag vom 12.06.18 mithin nach Ablauf der Monatsfrist bei Gericht eingegangen ist.
8
Eine Zustellung der Abbruchmitteilung gemäß § 128 Satz 1 BBG war nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift sind Verfügungen und Entscheidungen, die Beamten nach den Vorschriften dieses Gesetzes bekanntzugeben sind, zuzustellen, wenn durch sie eine Frist in Lauf gesetzt wird oder Rechte des Beamten durch sie berührt werden. Die Notwendigkeit einer Abbruchmitteilung an die Bewerber eines Auswahlverfahrens beruht jedoch nicht auf einer Vorschrift des Bundesbeamtengesetzes, sondern auf richterrechtlicher Rechtsfortbildung; zudem handelt es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. allgemein Plog/Wiedow, BBG, Stand: Dezember 2018, § 128 Rn. 4; Battis, BBG, 5. Aufl. 2017, § 128 Rn. 3; a.A. möglicherweise OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.03.18 - 4 S 44.17 -, juris Rn. 5).
9
Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird die Monatsfrist nicht erst in Gang gesetzt, wenn die Abbruchmitteilung die Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens enthält. Das ergibt sich aus den Grundsätzen, die das Bundesverwaltungsgericht für die Rechtsschutzmöglichkeiten bei Abbruch eines Auswahlverfahrens entwickelt hat.
10
Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt danach den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen. Effektiver Rechtsschutz gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Der Bewerber begehrt die zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis. Dies kann selbst im Erfolgsfall durch eine Hauptsacheklage nicht erreicht werden. Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 VwGO ergibt sich aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens, das auf eine sofortige Verpflichtung des Dienstherrn gerichtet ist und bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann. Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folgt auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Sowohl der Dienstherr als auch die Bewerber brauchen Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Der zeitliche Parallellauf mehrerer auf dieselbe Planstelle bezogener Verfahren mit unterschiedlichen Bewerbern würde zu schwierigen Vergabe- und Rückabwicklungsproblemen führen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs muss daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben wird. Primärrechtsschutz kann daher allein im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend gemacht werden. Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag nach § 123 VwGO, darf der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt. Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 21 ff. m.w.N.).
11
Die vom Bundesverwaltungsgericht hervorgehobene notwendige Rechtssicherheit für Bewerber und Dienstherrn gebietet es, die Monatsfrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits dann in Gang zu setzen, wenn ein Bewerber durch eine Abbruchmitteilung Kenntnis davon erlangt hat, dass das Auswahlverfahren abgebrochen wird. Welche Gründe für den Abbruch maßgeblich sind, ob diese Gründe ordnungsgemäß schriftlich dokumentiert (und in der Abbruchmitteilung zutreffend wiedergegeben) sind und ob sie den Abbruch in der Sache rechtfertigen, ist eine Frage der Rechtmäßigkeit der Abbruchentscheidung (vgl. BVerwG a.a.O., Rn. 20; unklar insoweit Leitsatz 3 dieser Entscheidung; Beschluss vom 10.12.18 - 2 VR 4.18 -, juris Rn. 18). Für den Lauf der Monatsfrist ist dies ohne Bedeutung. Andernfalls würde die erforderliche Fristberechnung von Fragen der formellen Rechtmäßigkeit der Abbruchmitteilung bzw. der materiellen Rechtmäßigkeit der Abbruchentscheidung überlagert, was für die Bewerber und den Dienstherrn gleichermaßen erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen würde, die jedoch gerade vermieden werden soll.
12
Eine Ausnahme gilt nach der zitierten Rechtsprechung, wenn der Dienstherr einen - im Rahmen seines Organisationsermessen grundsätzlich zulässigen - neuen Zuschnitt der ausgeschriebenen Stelle (nach der Terminologie des Bundesverwaltungsgerichts tritt dann eine „Erledigung“ des Auswahlverfahrens ein) behauptet, in Wahrheit aber - etwa unter einer nur vorgeschobenen Umbezeichnung - die bisherige Stelle unverändert vergeben will. In dieser Fallkonstellation beginnt der Lauf der Monatsfrist, wenn Abbruchmitteilung und Eröffnung des neuen Auswahlverfahrens zeitlich auseinanderfallen, erst mit Kenntnis der neuen Ausschreibung oder Funktionsbeschreibung der - nach Darstellung des Dienstherrn - neu zugeschnittenen Stelle, die nach Ansicht des rechtsschutzsuchenden Beamten mit dem des abgebrochenen Auswahlverfahrens identisch ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.14, a.a.O. Rn. 26 ff. m.w.N.). Dieser Fall ist jedoch vorliegend nicht gegeben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die im abgebrochenen Auswahlverfahren ausgeschriebene Stelle eines Abteilungsleiters bei der B... nicht mehr besetzen oder bei einer neuen Ausschreibung mit wesentlich verändertem Zuschnitt vergeben will. Die Tatsache, dass die geplante neue Ausschreibung nach dem Vermerk vom 13.04.18 mit dem Bundesministerium f... abgestimmt werden soll, bietet für diese Annahme keinen hinreichenden Anhaltspunkt.
13
Der Rechtsschutz des von dem Abbruch betroffenen Bewerbers wird dadurch auch nicht in unzumutbarer Weise verkürzt. Er ist gehalten, gegen eine Mitteilung, aus der hervorgeht, dass das Auswahlverfahren abgebrochen werden soll, binnen Monatsfrist mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorzugehen. Teilt der Dienstherr in der Abbruchmitteilung die Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht mit, ändert sich daran nichts. Sind die Gründe - wie vom Bundesverwaltungsgericht verlangt - schriftlich dokumentiert, kann er sich hiervon durch Akteneinsicht Kenntnis verschaffen und entscheiden, ob er gerichtlich gegen den Abbruch vorgehen will. Ist dies nicht rechtzeitig vor Ablauf der Monatsfrist möglich und stellt der Bewerber erst während des laufenden Eilverfahrens durch Akteneinsicht fest, dass ihn der Abbruch nicht in seinen Rechten verletzt, kann er die Hauptsache regelmäßig ohne Kostenrisiko für erledigt erklären. Denn ihm bleibt dann keine andere Wahl, als zunächst „ins Blaue hinein“ einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Insoweit gilt für die Abbruchmitteilung nichts anderes als für die so genannte Konkurrentenmitteilung im Auswahlverfahren: Enthält diese keine Angaben zum ausgewählten Bewerber und den tragenden Gründen der Auswahlentscheidung, muss ein unterlegener Bewerber dennoch rechtzeitig um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachsuchen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen kann, ob die Auswahlentscheidung materiell rechtmäßig ist (vgl. zur Pflicht des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich zu dokumentieren und der Möglichkeit für den unterlegenen Bewerber, sich hiervon im Wege der Akteneinsicht Kenntnis zu verschaffen: BVerfG, Beschluss vom 09.07.07 - 2 BvR 206.07 -, juris Rn. 19 ff.).
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