Beförderungsauswahl / Abbruch des Auswahlverfahrens durch den Dienstherrn
Eine Konstellation, die keinen so richtig zufrieden stellt: Das bereits durchgeführte oder zumindest begonnene Auswahlverfahren wird abgebrochen, zum Beispiel weil eine Neuausschreibung erfolgen soll.Der für die Beförderung ausgewählte Beamte ist sauer und diejenigen, welche die Auswahlentscheidung mit rechtlichen Mitteln zu Fall gebracht haben, stehen zunächst auch ohne Vorteil da.
Ein Abbruch der Beförderungsauswahl ist nur zulässig, wenn es einen sachlichen Grund gibt.
Der Dienstherr kann das Auswahlverfahren kraft seines Organisationsrechts aus sachlichen Gründen jederzeit beenden.Andererseits ist es aber nicht so, dass der Dienstherr willkürlich oder ohne sachlichen Grund ein Auswahlverfahren abbrechen dürfte, etwa um einen ihm nicht angenehmen Bewerber nicht befördern zu müssen.
Unter Umständen kann der Dienstherr zur Fortführung des Auswahlverfahrens verpflichtet werden.
Eine Entscheidung aus Hamburg, die seinerzeit als wegweisend gelten konnte:
OVG Hamburg, Beschluss vom 16.02.09, 1 Bs 241/08:
"(3) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, im Juni 2008 das Auswahlverfahren abzubrechen, ist ermessensfehlerhaft, weil es an einem erkennbaren sachlichen Grund für den Abbruch fehlt.
Es dürfte fraglich sein, ob die für den Zeitpunkt des Abbruchs des Auswahlverfahrens von der Antragsgegnerin geltend gemachten Gründe, es sei nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 20.05.08 (2 Bs 45/08) ein neues Ausschreibungs- und Findungsverfahren durchzuführen gewesen und in einem solchen sei mit neuen Rügen oder Befangenheitsanträgen des Antragstellers zu rechnen gewesen, so dass die Antragsgegnerin keine Möglichkeit gesehen habe, durch ausschließliche Wiederholung der mündlichen Teile des Auswahlverfahrens ein einwandfreies Auswahlverfahren durchzuführen, einen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens darstellen.
Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens kann das Ziel einer bestmöglichen Besetzung der Beförderungsstellen durch Ansprache eines breiteren Interessenkreises sein, weil der Dienstherr z.B. Bedenken gegen die Eignung des einzigen Bewerbers für den konkreten Dienstposten hat (BVerwG, Urteil vom 25.04.1996). Auch kann der Dienstherr beabsichtigen, Bewerbern mit höherer Qualifikation und längerer Berufserfahrung einen Anreiz zu bieten und den Bewerberkreis um solche Interessenten zu erweitern (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.07.1999, NVwZ-RR 2000, 172) oder eine Modifizierung des Auswahlprofils vornehmen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15.01.03, RiA 2004, 152).
Allein die ... Begründung, wegen der Ausführungen im Beschluss des Beschwerdegerichts und der (zu erwartenden) Rügen des Antragstellers habe man das laufende Auswahlverfahren abgebrochen, dürfte sachliche Gründe nicht ausweisen (vgl. dazu auch VGH München, Beschluss vom 29.09.05, NVwZ-RR 2006, 344; bejahend bei Abbruch und anschließender Neuausschreibung: OVG Münster, Beschluss vom 15.05.06, 6 A 604/05; OVG Bautzen, Beschluss vom 14.05.04, DRiZ 346)."
(Das Gericht setzt sich dann noch weiter mit den Argumenten der Behörde auseinander, die sehr stark auf das Schulgesetz der Hansestadt Hamburg zugeschnitten sind und deshalb hier nicht dargelegt werden müssen. Festzustellen ist nur: auch der Abbruch eines Verfahrens kann überprüft werden.)
"(3) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, im Juni 2008 das Auswahlverfahren abzubrechen, ist ermessensfehlerhaft, weil es an einem erkennbaren sachlichen Grund für den Abbruch fehlt.
Es dürfte fraglich sein, ob die für den Zeitpunkt des Abbruchs des Auswahlverfahrens von der Antragsgegnerin geltend gemachten Gründe, es sei nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 20.05.08 (2 Bs 45/08) ein neues Ausschreibungs- und Findungsverfahren durchzuführen gewesen und in einem solchen sei mit neuen Rügen oder Befangenheitsanträgen des Antragstellers zu rechnen gewesen, so dass die Antragsgegnerin keine Möglichkeit gesehen habe, durch ausschließliche Wiederholung der mündlichen Teile des Auswahlverfahrens ein einwandfreies Auswahlverfahren durchzuführen, einen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens darstellen.
Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens kann das Ziel einer bestmöglichen Besetzung der Beförderungsstellen durch Ansprache eines breiteren Interessenkreises sein, weil der Dienstherr z.B. Bedenken gegen die Eignung des einzigen Bewerbers für den konkreten Dienstposten hat (BVerwG, Urteil vom 25.04.1996). Auch kann der Dienstherr beabsichtigen, Bewerbern mit höherer Qualifikation und längerer Berufserfahrung einen Anreiz zu bieten und den Bewerberkreis um solche Interessenten zu erweitern (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.07.1999, NVwZ-RR 2000, 172) oder eine Modifizierung des Auswahlprofils vornehmen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15.01.03, RiA 2004, 152).
Allein die ... Begründung, wegen der Ausführungen im Beschluss des Beschwerdegerichts und der (zu erwartenden) Rügen des Antragstellers habe man das laufende Auswahlverfahren abgebrochen, dürfte sachliche Gründe nicht ausweisen (vgl. dazu auch VGH München, Beschluss vom 29.09.05, NVwZ-RR 2006, 344; bejahend bei Abbruch und anschließender Neuausschreibung: OVG Münster, Beschluss vom 15.05.06, 6 A 604/05; OVG Bautzen, Beschluss vom 14.05.04, DRiZ 346)."
(Das Gericht setzt sich dann noch weiter mit den Argumenten der Behörde auseinander, die sehr stark auf das Schulgesetz der Hansestadt Hamburg zugeschnitten sind und deshalb hier nicht dargelegt werden müssen. Festzustellen ist nur: auch der Abbruch eines Verfahrens kann überprüft werden.)
Im September 2017 hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 12.09.17 - 5 Bs 138/17 - die Hansestadt Hamburg verpflichtet, "das Auswahlverfahren ... fortzusetzen". In der sehr gut geschriebenen Entscheidung ist ausführlich dargelegt, dass nicht stets dann, wenn ein Verwaltungsgericht ein Auswahlverfahren beanstandet hat, auch ein Abbruch des Auswahlverfahrens geboten ist.
Denn es kommt darauf an, ob die Mängel des Auswahlverfahrens geheilt werden können.
Diese differenzierte Betrachtung dürfte sich durchgesetzt haben, vergleichen Sie dazu auch den Beschluss des OVG NRW vom 12.07.18 (Link weiter unten auf dieser Seite).
Eine Entscheidung, die Sie im Internet finden (VG Hannover, Urteil vom 19.05.14, 13 A 6255/13) befasst sich mit einem Fall, der viel aufsehen erregt hat, nämlich mit der geplatzen Beförderungsrunde 2012 der Deutschen Telekom. Der Abbruch des Auswahlverfahrens, der viele Enttäuschte hinterlassen hat, war rechtmäßig.
Aus Hannover auch folgende Entscheidung:
VG Hannover, Beschluss vom 22.05.2017, 13 B 2991/17
1. Ein Stellenbesetzungsverfahren darf nur aus sachlich nachvollziehbaren Gründen abgebrochen werden.
2. Werden gegen den Bewerber ein Disziplinarverfahren sowie ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt, stellt dies regelmäßig einen sachlich nachvollziehbaren Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens dar, wenn die zugrundeliegenden, gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe nicht völlig haltlos sind.
3. Eine längerfristige Erkrankung des Bewerbers kann Zweifel an dessen gesundheitlicher Eignung begründen und damit ebenfalls einen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens darstellen.
1. Ein Stellenbesetzungsverfahren darf nur aus sachlich nachvollziehbaren Gründen abgebrochen werden.
2. Werden gegen den Bewerber ein Disziplinarverfahren sowie ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt, stellt dies regelmäßig einen sachlich nachvollziehbaren Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens dar, wenn die zugrundeliegenden, gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe nicht völlig haltlos sind.
3. Eine längerfristige Erkrankung des Bewerbers kann Zweifel an dessen gesundheitlicher Eignung begründen und damit ebenfalls einen sachlichen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens darstellen.
Recht interessant für die Praxis ist der zweite Leitsatz der folgenden Entscheidung.
VG Göttingen 3. Kammer, Beschluss vom 22.05.19, 3 B 77/19
Abbruch eines beamtenrechtlichen Stellenbesetzungsverfahrens
1. Es kann einen sachlichen Grund darstellen, wenn ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr ein nach den Grundsätzen der Bestenauslese begonnenes entscheidungsreifes Stellenbesetzungsverfahren abbricht, weil er die Stelle zwar weiterhin besetzen will, sich für ihn nach erfolgter Ausschreibung aber aus schriftlich dokumentierten unabweisbaren personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten die nicht voraussehbare Notwendigkeit ergeben hat, die Stelle einem nicht an der Ausschreibung beteiligten Beamten oder Tarifbeschäftigten zu übertragen (hier verneint).
2. Bei der gerichtlichen Prüfung, ob die Gründe für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtlich Bestand haben, ist allein auf die in der Begründung angegebenen Erwägungen abzustellen. Ist das Stellenbesetzungsverfahren aus rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen abgebrochen, bedarf es keiner gerichtlichen Prüfung, ob der Abbruch aus anderen Gründen hätte erfolgen können.
3. Für ein auf Fortführung eines Stellenbesetzungsverfahrens gerichtetes Eilverfahren nach § 123 VwGO eines Bewerbers, der sich aufgrund des Verfahrensabbruchs in seinen Rechten verletzt sieht, ist als Streitwert der volle Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 10.12.2018 – 2 VR 4.18 –, juris Rn. 23).
Abbruch eines beamtenrechtlichen Stellenbesetzungsverfahrens
1. Es kann einen sachlichen Grund darstellen, wenn ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr ein nach den Grundsätzen der Bestenauslese begonnenes entscheidungsreifes Stellenbesetzungsverfahren abbricht, weil er die Stelle zwar weiterhin besetzen will, sich für ihn nach erfolgter Ausschreibung aber aus schriftlich dokumentierten unabweisbaren personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten die nicht voraussehbare Notwendigkeit ergeben hat, die Stelle einem nicht an der Ausschreibung beteiligten Beamten oder Tarifbeschäftigten zu übertragen (hier verneint).
2. Bei der gerichtlichen Prüfung, ob die Gründe für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtlich Bestand haben, ist allein auf die in der Begründung angegebenen Erwägungen abzustellen. Ist das Stellenbesetzungsverfahren aus rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen abgebrochen, bedarf es keiner gerichtlichen Prüfung, ob der Abbruch aus anderen Gründen hätte erfolgen können.
3. Für ein auf Fortführung eines Stellenbesetzungsverfahrens gerichtetes Eilverfahren nach § 123 VwGO eines Bewerbers, der sich aufgrund des Verfahrensabbruchs in seinen Rechten verletzt sieht, ist als Streitwert der volle Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 10.12.2018 – 2 VR 4.18 –, juris Rn. 23).